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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Dahinten. Das ist sie!« Niccolò begann freudig zu winseln.
    »Ihre Haare sehen ganz anders aus. Platt wie bei einem nassen Bobtail. Das arme Ding.«
    Auch ansonsten gab Isabella ein erbärmliches Bild ab. Ihre Wangen waren gerötet, als wäre jemand mit Schmirgelpapier darübergefahren, und die Augen saßen aufgequollen wie dicke Pflaumen im Gesicht. Doch Isabellas Kinn war noch entschlossener als sonst nach vorne gereckt, alles schien daran zerschellen zu können. Als sie Niccolò sah, fiel diese Festung jedoch, ihr Herz übernahm wieder die Herrschaft über ihren Körper. Schnell blickte sie sich um. Die Wärterin unterhielt sich gerade. Rasch, jedoch ohne zu laufen, kam sie zum Gitterabschnitt an der Mauer öffnung und tat so, als binde sie sich die Schnürsenkel.
    »Niccolò!«, flüsterte sie, ihre Stimme mühsam unter Kontrolle haltend. Doch Tränen flossen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. »Dass du mich wirklich gefunden hast! Dann hab ich mir das vor ein paar Tagen doch nicht eingebildet. Ich dachte schon, ich werd hier langsam verrückt. Und ist das Giacomo? Der gute Giacomo! Ihr wisst ja gar nicht, wie froh ich bin, euch zu sehen! Aber kümmert sich denn niemand um euch? Mario hat es mir doch versprochen! Und wo ist Canini? Du siehst ganz abgemagert aus, Niccolò. Und schaust so schrecklich ernst. Bist du so traurig? Ich auch, mein Kleiner. Aber jetzt gerade, da möchte ich heulen vor Glück.«
    Niccolò kämpfte gegen all die Trauer an, die er in Isabella spürte. Zwar vermischte sie sich mit der Wiedersehensfreude, doch eigentlich wurde sie dadurch nur noch schlimmer. Das Windspiel versuchte, sich zu konzentrieren und Isabella seine Gedanken wissen zu lassen. Dass sie morgen schon befreit würde, dass es Giacomos Idee war, gleich die Dachshunde Turins zu fragen, ob sie sich unter dem Gitter durchbuddeln könnten, dass sie dann nur noch hindurch- kriechen müsste und sie auch durch das Mauerloch passen würde, weil sie doch so schlank war. Vielleicht wäre ein wenig Ziehen und Drücken notwendig. Aber das würde schon klappen! Giacomo war schließlich stark. Diesen Plan sandte er mit aller Kraft zu ihr.
    »Du wünschst dir bestimmt, ich würde mit dir kommen. Einfach durch die Gitter steigen, was?«, fragte Isabella, und Niccolò fühlte sich, als würde sein Herz aufgehen. Er bellte vor Freude – und verfluchte sich im selben Augen - blick dafür. Sie durften doch keine Aufmerksamkeit erregen!
    »Aber ich kann nicht mitkommen«, fuhr Isabella fort. »Denn jetzt gibt es ja kein Leben, in das ich zurückkehren könnte. Erst muss das alles hier ausgestanden sein, dann kehre ich zu dir zurück – aber durch die Vordertür! Wenn doch nur das verfluchte Sindone wieder auftauchen würde. Das wär schon die halbe Miete. Bestimmt sind da irgendwelche Spuren vom Täter dran. Haare, Fingerabdrücke, was weiß ich. Die finden heute doch alles, oder?«
    Hinter Isabella blieb eine andere Gefängnisinsassin stehen. »Mit wem redest du da die ganze Zeit?«
    »Mit meinem Windspiel und meinem Lagotto. Siehst du die beiden? Aber verrat mich bitte nicht!«
    Ein Gesicht erschien, Krähenfüße neben den Augen, das Haar ein grauer Stumpen am Hinterkopf. »Was haben die beiden Köter hier zu suchen?«
    »Mich«, sagte Isabella. Der Stolz in ihrer Stimme ließ Niccolò innerlich Saltos schlagen.
    »Wenn die Wachen das Mauerloch da sehen, ist es sofort zu. Das ist nämlich nicht vorschriftsmäßig .« Sie schnaubte verächtlich. Dann ertönte ein Pfiff. Die Gefangenen mussten zurück. »Schwing deinen Hintern, Süße.«
    Isabella streckte die Finger so weit durch das enge Gitter, bis ihre Hand gepresst zwischen den Stangen klemmte. Zärtlich leckte ihr Niccolò darüber, als gelte es Wunden zu heilen.
    »Bis bald, mein Kleiner. Komm wieder, ja? Und du auch, Giacomo! «
    Eine harsche Stimme dröhnte vom Haus her. »Tinbergen, was treiben Sie da? Wieso knien Sie in der Ecke?«
    Isabella riss sich los und rannte zur Wärterin. »Ich bin gestolpert.«
    »Ach Gott, wie schrecklich! Das interessiert mich einen Scheiß, Püppchen. Pass in Zukunft besser auf, wo du hintrittst.«
    Die Eisentür schloss sich krachend hinter Isabella. Niccolò schaute ihr noch lange hinterher, drückte seine Stirn gegen die eisigen Gitterstäbe.
    »Komm, wir gehen. Sie ist weg.«
    »Nur bis morgen«, sagte Niccolò leise. »Lass uns solange bleiben.«
    »Aber wir müssen doch zu den Dachshunden! Weiß sie Bescheid wegen unseres

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