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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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sie sich nur an ihr. Manchmal lag sie in Sichtweite, doch immer so weit entfernt, dass sie nicht entdeckt werdenkonnten. Giacomos Magen wurde immer leerer, der Duft nach Trüffeln immer intensiver.
    »Lass uns kurz Rast machen«, schlug er ein ums andere Mal vor, doch Niccolò ging einfach weiter. Die Jugend. Hatte sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt, verschloss sie sich jedem klugen Vorschlag. Solch ein dürres Windspiel musste natürlich nicht viel fressen, kaum mehr als ein Vögelchen, ein Grissino reichte vermutlich für ein ganzes Jahr.
    Sie gingen die ganze Nacht hindurch, wobei Niccolò immer wieder Pausen einlegen und sich an Giacomo aufwärmen musste. Das goldbraune Teddybärenfell seines Pullovers bedeckte einfach nicht genug seines Körpers, gerade seine Pfoten und Beine drohten zu erfrieren.
    Am nächsten Morgen wurde der alte Lagotto deutlicher. »Ich brauche Essen. Sonst kann ich überhaupt nichts finden, da stellt meine Nase die Arbeit ein. Die ist nämlich gut mit meinem Bauch befreundet.«
    »Ach?«
    »Da kann ich gar nichts machen.«
    »Du bist deinem Bauch also absolut ausgeliefert?« »Das hast du treffend formuliert.«
    »Dann warte hier«.
    Damit hatte Giacomo nicht gerechnet. Aber er wartete gern, auch wenn es auf einem verschneiten Feld zwischen vier Straßen war, die vor sich hin brummten. Nicht ein Baum war zu sehen. Der Himmel wirkte genauso bleich wie der Schnee, es gab keine Linie am Horizont.
    Giacomo buddelte ein wenig. Durch Schmelzen und Gefrieren hatte sich an der Oberfläche Harsch gebildet, darunter war der Schnee noch pulverig. In die so entstandene Kuhle ließ er sich sinken, den Kopf tief zwischen die Vorderläufe gesteckt, ein wenig Wärme an seiner empfindlichen Nase spürend.
    Das Krachen kleiner Füße durch die Schneekruste ließ ihnschon nach kurzer Zeit wieder aufblicken. Niccolò sprintete heran, eine Feldmaus im Maul. Panisch wand sich der kleine Nager, die kurze Schnauze zuckend, und versuchte, aus dem Biss zu entkommen. Niccolòs Kopf war so voller Schnee, dass es aussah, als habe er ihn in Milch getunkt.
    »Und du?«, fragte Giacomo.
    »Hab schon«, sagte Niccolò zwischen den Zähnen hindurch. »Ich fand einen ihrer Laufgänge, den sie im Winter immer unter der Schneedecke mit geflochtenem Gras und Erde übertunneln. Sind mir quasi ins Maul gelaufen. Sehr praktisch.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du ... «
    »Bin schließlich auf dem Land aufgewachsen! Und jetzt nimm mir das zappelige Ding endlich ab, das kitzelt mit seinen Beinchen am Gaumen.«
    Nichts leichter als das. Die kleine Feldmaus hatte nur ein Stummelschwänzchen, vermutlich war ihr die Spitze abgebissen worden, doch das beeinträchtigte den Geschmack überhaupt nicht. Dank der Knochen war sie sogar äußerst knusprig, wenn auch wegen des Winters etwas mager. Gekocht als Teil eines Bollito misto, selbstverständlich serviert mit Salsa verde, wäre sie noch köstlicher gewesen. Und ein Glas Barbaresco hätte dem Mahl auch gutgetan. Doch Giacomo riss sich dem Freund zuliebe zusammen.
    »Genau, was ich brauchte. Schön frisch.«
    »Dann können wir jetzt weiter?«
    »Mit neuer Kraft!«
    Eigentlich hatte er durch diesen kleinen Appetithappen nur noch mehr Hunger bekommen, doch Giacomo brachte es nicht übers Herz, das dem kleinen Windspiel zu sagen. Der Weg war eh nicht mehr weit, und bei Stupinigi gab es sicher ein paar Mülleimer. Giacomos Magenknurren wurde von beiden geflissentlich überhört.
    Alsbald lag der prachtvolle Palazzo vor ihnen – undmit ihm kamen all die schlechten Erinnerungen. Giacomo suchte den Boden unwillkürlich nach Fallen ab, Niccolò klemmte die Rute ein und zog die Ohren an. Über der von Giacomo demolierten, nun aber reparierten Bautür des Westflügels hing ein gestreiftes Plastikband. Es wirkte abweisend.
    »Jetzt erinnere dich!«, drängte Niccolò. »In welche Richtung bist du damals mit dem Sindone gelaufen? Du weißt es doch noch, oder?«
    Nein. Giacomo hatte keine Ahnung, und auch kein fotografisches Gedächtnis. Nur ein olfaktorisches. Er erinnerte sich an alles, was er jemals gerochen hatte. Leider. Vieles hätte er lieber vergessen. Zum Beispiel wie sein Trifolao einmal – wohl das einzige Mal in seinem Leben – Schuhe und Socken ausgezogen hatte. Giacomo stand unvorsichtiger- weise genau daneben. Es stank wie eine unselige Mischung aus schimmligem Käse und verwesendem Fisch. Wochenlang konnte er danach keine Trüffel mehr finden.
    Mist, jetzt hatte er den

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