Blut & Barolo
beiden hatten das Sindone für ihn gefunden. Nun würde er das Blut aus ihnen fließen lassen. Doch nicht zuviel, damit sie es noch bis zu Amadeus schafften. Und das Sindone tragen konnten. Diesmal war Tommaso allein unterwegs. Auf sich selbst war Verlass, anders als auf die Schwächlinge, die beim Angriff auf die Dachshunde so elendig abgesoffen waren.
Die Lichtung, auf welcher der Lagotto nun mit seinem Begleiter stand, war ideal für einen Angriff. Im tiefen, verkrusteten Schnee würden sie nicht schnell genug fliehen können. Das Windspiel würde er umrennen, Stirn voran, wie ein Halm im Sturm würde es umknicken. Dem schwerfälligen Lagotto würde er einige Bisse durch das dicke, verfilzte Fell versetzen. Das würde dessen Widerstand brechen.
Der Plan stand, die Tat erwartete Tommaso.
Doch seine Opfer liefen plötzlich – und völlig ohne Erlaubnis – los. In einem Heidentempo. Obwohl der Lagotto das Sindone hinter sich herschleifen musste. Tommaso bellte und setzte seinen muskulösen Bulldoggenkörper in Bewegung. Die Flüchtenden waren schnell, doch sie mussten ihren Weg suchen. Tommaso dagegen brauchte ihnen bloß zu folgen. Er liebte die Jagd. Beute dachte immer, sie könne entkommen. Er zerstörte gern ihre Hoffnung. Der Abstand schmolz. Tommasos Vorfreude ließ ihn immer mächtigere Sätze vollbringen.
Mit dem nächsten Sprung hätte er das Windspiel!
Der Lagotto rief etwas Unverständliches, die beiden liefen plötzlich nebeneinander, holten das Letzte aus ihren Lungen heraus, dann stoppten sie und taten vorsichtig einen Schritt nach vorn.
Jetzt!
Tommaso sprang. Nun war er über ihnen.
Unter ihm klackte etwas scheppernd zusammen.
Und statt auf zwei Hunden zu landen, fand er sich auf einer vergitterten Lebendfalle.
In welcher die beiden nun mitsamt dem Sindone steckten.
Tommaso rutschte herunter und wich instinktiv zurück, damit er nicht ebenfalls im Bauch des stählernen Ungetüms endete. Der dicke Lagotto legte sich jetzt so auf das Sindone, dass es nicht mehr zu sehen war. Was führte der Verbrecher nur im Schilde? Warum sah er so zufrieden aus, wo er doch in einer Falle steckte? Nur das Windspiel wirkte unruhig, verschanzte sich hinter dem Leib des Freundes.
»Kommt raus!«, rief Tommaso. Ihm fiel einfach nichts Besseres ein.
»Komm du doch rein«, erwiderte der Lagotto.
Das durfte doch nicht wahr sein! Die Dreistigkeit des alten Hundes machte Tommaso rasend. Er würde ihn töten. Musste das Windspiel das Sindone eben alleine zu Amadeus schleppen.
»Tommaso beißt die Stäbe durch, und dann gnade euch Gott!«
»Das macht er nur bei Menschen. Und das Metall bekommst du niemals durch. Ich weiß übrigens, wer du bist.«
»Ach ja? Wundert Tommaso überhaupt nicht. Jeder kennt und fürchtet Tommaso! «
»Du bist der Mörder von Dagobert. Dein Gebiss hat eindeutige Spuren hinterlassen. Und für diese grausame Tat wirst du büßen. Aber noch nicht jetzt. Geh wieder. Ich werde dich finden, wenn es so weit ist.«
Tommaso kläffte wie ein Wilder, knurrte, fletschte die Zähne, drehte sich um die eigene Achse. Doch in der Falle blieb alles ruhig. Als Tommaso die Raserei hechelnd beendete, sprach der Lagotto abermals.
»Sag mir: Warum hast du es getan? Und was willst du von mir?«
»Das Tuch, das du geraubt hast. Das Sindone. Es gehört nicht dir, sondern Tommasos Herrn. Der Mischling wollte nicht verraten, wo Tommaso dich findet. Dafür erhielt er seine Strafe. Niemand steht dem Gesetz im Weg.«
»Und das Gesetz bist wohl du!«, schnappte nun das Windspiel.
Tommaso ging näher an die Falle. »Ganz genau. Das Gesetz ist Tommaso.«
»Weißt du, wer das Tuch geraubt hat?«, fragte Giacomo.
»Na ihr! Und eure Verbündeten.« Tommaso schlich um die Falle. Sie musste eine Schwachstelle haben. Er würde sie finden und knacken. Die Zeit spielte ihm in die Hände.
»Verbündete? Haben wir Verbündete? Wie schön, ich freu mich. Wen denn, wenn ich fragen darf?« Der Lagotto blickte vergnügt. Fühl dich nur sicher, dachte Tommaso.
»Die Wölfe«, sagte er.
»Ach?« Der Lagotto schien ehrlich erstaunt. »Warum helfen sie uns dann jetzt nicht?«
»Warum helfen sie ... euch ... jetzt ... nicht?« Tommaso blickte sich um. »Das ist doch ein Trick! Tommaso sieht keine Wölfe. Du willst Tommaso nur ängstigen. Aber niemand ängstigt Tommaso. Tommaso ängstigt alle anderen!«
»Niemals bekommst du dumme Bulldogge uns hier raus.« Wieder dieses freche Windspiel. Es traute sich nicht aus der
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