Blut & Barolo
gute Freunde, was, Fuchs?«
Das wilde Tier schwieg und blickte böse.
»Er ist einer von der stillen Sorte«, erklärte Giacomo. »Einsamer Jäger und so. Das machst du gut, Fuchs! Sehr überzeugend. Schade nur, wenn man so schusselig ist und zweimal in dieselbe Falle gerät. Du musst mir übrigens nicht danken, dass ich dich damals befreit habe. Dein grimmiger Blick ist mir Belohnung genug. Oh, jetzt gibst du richtig Gas, was?«
Der Fuchs rollte sich zusammen und schaute über die Ladekante zum entschwindenden Palazzo Stupinigi. Eine Zeitlang hörten Giacomo und Niccolò noch ein wütendes Bellen, das sogar näher zu kommen schien, doch dann verstummte es. Ganz plötzlich.
»Das war ein kluger Plan, Giacomo. Wirklich.«
»Danke, Kleiner. Ich weiß. Warum selber laufen, wenn man sich kutschieren lassen kann? Wir sind doch moderne Hunde!«
»Das heißt, du weißt, wie wir hier wieder rauskommen?«
»Säßen wir sonst in dieser Falle?«
Niccolò schien zufrieden und kuschelte sich so an Giacomo, dass der Wind über ihn hinwegglitt. Der alte Trüffelhund heftete derweil den Blick an das Geschehen auf der Straße. Wenn er sich nicht täuschte, fuhr hinter ihnen ein Lastwagen voll mit Salamis. Zumindest waren die auf jede freie Fläche der Karosserie gemalt.
»Siehst du auch, was ich sehe, Kleiner? Der hat dieselbe Richtung wie wir!«
Doch das Windspiel antwortete nicht. Dafür blickte ihn der Fuchs wieder so eindringlich an, als würde er die Zahl der Flöhe in Giacomos Fell zählen.
»Niccolò? Alles in Ordnung bei dir?«
Der alte Lagotto drehte sich um. Der Freund war steif wie ein Brett, selbst die Haare wie versteinert. Sein Bauch hob und senkte sich nicht mehr, seine Zunge hing halb heraus. Die Zeit schien bei ihm angehalten zu haben.
Die nächsten Momente waren die beunruhigendsten, die Giacomo jemals erleben musste. Der kleine Niccolò, dem er sich so nahe fühlte, mehr als jedem anderen Wesen, war plötzlich so weit fort. Der Leib neben ihm schien nur eine Hülle, ein Geist. Alles in ihm befahl Giacomo, sich fernzuhalten. Doch dies war sein Niccolò! Er legte sich zu ihm, was konnte er sonst auch tun?
Die Minuten dehnten sich wie Kaugummi und wanden sich klebrig um Giacomo. Dann endlich bewegten sich Beine und Schnauze des Windspiels wieder, die Zunge fuhr durchs Maul, neue Feuchtigkeit verteilend. Doch der Blick blieb starr.
»Kleiner? Kannst du mich hören?«
» Giacomo?«
»Ja! Ich bin’s, Giacomo. Was war los mit dir? Drei Ampeln lang warst du nicht ansprechbar, hast nur in die Gegend gestiert, die Augen leblos wie Glasperlen. Wenn du dich wunderst, warum es am Rücken zwickt: Ich hab dich eben gebissen. Nur ein bisschen. Wollte prüfen, ob du noch lebst.«
»Ich? Ja.«
»Da schwang jetzt was Merkwürdiges mit, Kleiner.« »Isabella, sie ist in Gefahr.«
»Sicher, deswegen machen wir das alles ja.«
»Du verstehst nicht. Genau jetzt ist sie in Gefahr. In diesem Augenblick! Ich hab es gesehen, so als ... als würden sie mich angreifen.«
»Wovon redest du? Sie ist doch im Gefängnis, wer soll sie da angreifen? Da sind die Menschen doch hinter Gittern, so wie wir hier in der Falle.«
»Nein.« Niccolò versuchte aufzustehen, doch seine Knie gaben nach, und er sank wieder auf die rüttelnde Ladefläche. »Zwei andere Frauen, die auch dort eingesperrt sind, sie aßen alle, da war ein großer Raum mit hoher Decken, alles weiß und die Glühbirnen nackt darüber, die Tische ohne Decken, und in den Ecken standen Frauen in Uniform, mit Stöcken in der Hand, plötzlich drückte die eine der beiden, die am Tisch saß, sie hatte Muskelberge wie ein Bauarbeiter, die drückte Isabella die Gabel an den Hals, bohrte die Spitzen hinein. Ich hab das Blut gespürt, wie es herunterlief. Isabella hatte so eine Angst, eine furchtbare Angst. Dann beugte sich die böse Frau zu ihr, sprach ihr ganz leise ins Ohr.
›Du wirst mir alles sagen: Wo das Sindone ist. Wie du’s geraubt hast. Oder du hältst die Schnauze und stirbst. Mir entkommst du nicht. Das ist mein kleiner Spielplatz. Rocky hier ist mein Hündchen, und sie wird dir überallhin folgen,sogar aufs Scheißhaus und unter die Dusche. Wenn du mir bis morgen früh nicht alles erzählt hast, passiert dir ein Unfall. Viel schlimmer als der hier . ‹
Die andere Frau, diese Rocky, hielt Isabellas Hand fest und goss den heißen Kaffee darüber.
›Jetzt hast du aber geschlabbert, Rocky. Entschuldige dich bei der lieben Isabella.‹ Das hat die andere
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