Blut & Barolo
Deckung, doch seine Worte klangen scharf wie Peperoni. »Das Sindone ist für unsere Isabella gedacht, die unschuldig im Gefängnis sitzt. Sag das deinem Herrn. Und jetzt lass uns endlich in Ruhe!«
Schluss mit den Spielen, dachte Tommaso. Schluss mit den Worten. Worte öffneten keine Schlösser. Gewalt tat es. Und Gewalt sprach Tommaso fließend. Die Bulldogge schlug ihre Hauer gegen die Gitterstäbe, immer wieder, warf sich dann mit ihrem ganzen bulligen Leib dagegen. Der Käfig ruckelte, wankte, das Schloss klirrte gar, doch es gab seineBeute nicht preis. Tommaso nahm einen weiten Anlauf, den Öffnungsmechanismus der Falle im Visier.
Es konnte klappen. Tommaso musste nur die richtige Stelle treffen.
Doch dann erschütterte ein Knall die eisige Luft. Neben Tommaso schlug es ein, Schnee spritzte empor.
»Mensch, Pippo!« Eine menschliche Stimme erklang. »Das ist heut schon das dritte Mal, dass du danebenschießt. Warst gestern wohl doch zu lang bei Marcello. Dem sein Selbstgebrannter ist eh nur zum Einreiben gut. Aber jetzt treff ich!« Es war nur ein Mann. Er sprach mit sich selbst. Und legte wieder an.
Tommaso duckte sich hinter der Falle. Der Jäger ging seitlich an ihr vorbei. Doch Tommaso war gerissen. Er kroch parallel herum, immer im Schutz bleibend.
Trotzdem fiel nun ein weiterer Schuss. Und noch einer. Der Alte zielte in die Luft. »Hau ab, Miststück!« Tommaso wollte nicht sterben. Amadeus brauchte ihn doch! Die Bulldogge spurtete zur nahegelegenen Schonung und verschwand zwischen den jungen Bäumen.
Den Blick wandte Tommaso sogleich wieder Richtung Falle.
Das Gewehr im Anschlag, näherte sich der Mann nun den beiden gefangenen Hunden. Plötzlich blieb er stehen, als knalle er gegen eine unsichtbare Wand. Er ließ das Gewehr fallen, sank auf die Knie, dann schüttelte er den Kopf, fischte ein Brillenetui aus seiner Westentasche und setzte sich die Gläser auf. Er betrachtete lange seinen Fang, die Unterlippe begann zu beben, und er bekreuzigte sich.
»Heilige Madonna mia! Du hast mich mit einer schrecklich rachsüchtigen Frau gestraft, aber mir nun diese beiden Hunde geschenkt. Sie werden mich in Turin wie einen Helden feiern!«
So schnell er konnte, trug er die schwer gefüllte Falle zuseiner Ape. Immer wieder die Faust in die Höhe reckend, dabei abwechselnd »Evviva!« oder »Ah bella!« brüllend.
Tommaso folgte ihm. Tommaso würde dieses dreirädrige Gefährt nicht aus den Augen lassen. Es würde keine Niederlage geben, und wenn er sich dafür an der Stoßstange festbeißen und durch die Stadt schleifen lassen musste.
Tommaso war zu allem bereit.
Die beiden Lagotto-Mischlinge hatten den schwarzen Wagen gefunden – und genau gegenüber einen grünen Müllcontainer, zwischen dessen Rollen sie genug Platz hatten. Er gehörte zu einem Friseursalon, in dem zwei alte Männer auf ebenso alten Holzstühlen saßen und unterschiedliche Teile einer Tuttosport -Ausgabe lasen. Die Rollläden und Gitter der anderen Geschäfte waren noch heruntergelassen. Es war ruhig auf der Via Giolitti, auch vor dem prachtvollen Bau mit den beiden Fahnen tat sich nicht viel. Eine Gruppe Kinder war am Morgen kreischend hineingelaufen. Herausgekommen waren sie nicht mehr.
Ab und an fuhr eine Straßenbahn vorbei.
Und die Vögel zwitscherten. Daisy wusste natürlich, dass die gefiederten Schreihälse sich nur paaren wollten, doch hübsch klang es trotzdem. Vor allem war es eine Abwechslung zu Donalds beständigem Schweigen.
In diesem Moment brach er es jedoch.
»Und wenn die Sonnenbrille gar nicht kommt?« »Sie kommt. Ganz sicher.«
Daisy war dankbar für das nun im Friseursalon beginnende Gespräch der beiden Männer. Sie verstand zwar kein Wort, doch die Stimmen waren angenehm dunkel und rauchig. Sie redeten im alten piemontesischen Dialekt, der fast schon wie eine eigene Sprache klang. Der jüngere der Männer hielt nun eine Ausgabe der La Stampa und schlug mit einer Hand demonstrativ auf die Titelseite.
»Schon wieder jemand vom Wolf gerissen. In Turin! Gibt’s doch nicht, oder?«
»Neeneenee«, antwortete der andere, den Blick nicht von der Sportzeitung wendend.
»Zuerst Padre Filippo im Glockenturm und jetzt dieser, wie heißt er, Anatoly Rogers, ein Amerikaner. Ist im Parco Naturale di Stupinigi gefunden worden. Da, wo man das Sindone entdeckt hat, bevor der Hund damit abgehauen ist. Der Rogers ist ebenfalls mit zerfetztem Hals aufgefunden worden. Langsam mach ich mir Sorgen. Ob das nur ein
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