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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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begann sich schon im Hinausgehen die Soutane auszuziehen.
    Amadeus hatte kein Wort verstanden, doch als Nara wieder erschien, war ihr Blick lodernd. Sie wusste, was zu tun war. Als sie an ihm vorbei zum Ausgang lief, wusste auch er es.
    Er würde ihr folgen. Egal wohin.

III
GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG

 
     
    Kapitel 9
     
     
    CIOCCOLATERIA
     
     
    S chau, Giacomo. Siehst du die Menschen?« Die Signora hob die Hand mit ihrer prall gefüllten Tasche und zeigte zu einem Café, in dessen Außenwand farbige Glasscherben eingelassen waren und allerlei Handgetöpfertes stand. Im Inneren befanden sich neben Menschen auch viele Hunde. Das war merkwürdig. Doch als die Signora ihn näher heranführte, sah Giacomo, dass alles noch merkwürdiger war. Denn es waren die Vierbeiner, welche die Leckereien von den Tellern aßen – vor allem mit reichlich Zabaglione gefüllte Bignole und köstliche Marron-Glacés –, während die Menschen auf dem Fußboden vor ihnen knieten. Schweigend.
    Die Signora lächelte. »Besser so als andersherum. Komm etwas zur Seite, damit sie dich nicht sehen.«
    Giacomo blieb nah bei ihrem Mantel, dessen dicker Stoff den Wind abhielt. Der alte Trüffelhund dachte ausnahmsweise einmal nicht ans Essen, an die Genüsse, die im Inneren warteten und seinen Artgenossen so freizügig dargebracht wurden. Stattdessen fragte er sich, was um alles in der Welt hier vor sich ging.
    Die Signora erklärte es ihm mit ihrer dunklen Stimme, die wie ein kräftiger Nebbiolo klang.
    »Diese Menschen glauben, dass dein Raub des Sindone die Strafe Gottes für alle Untaten der Turiner sei. Dass du also ein Werkzeug des Herrn wärst und alle Hunde Geschöpfe, die Gottes Willen verwirklichen. Und sie glauben,wenn sie euch Hunden huldigen, ist Gott ihnen gewogen. Dir würden sie sicher den besten Barolo anbieten. Dazu gäbe es Trüffel. Weil in der Zeitung stand, dass du die liebst.« Sie trat näher an die Scheibe. »Siehst du das Bild?«
    Er sah es. Sie hatten eines der Plakate von ihm aufgehangen. Davor standen Kerzen. Giacomo ging schnell weiter. Er wollte doch nur seine Ruhe. Die Signora kam lachend hinter ihm her.
    »Diese Menschen sind eine Ausnahme. Die meisten trauen nicht mal mehr ihren eigenen Hunden, halten sie nur noch kurz an der Leine, bei Ungehorsam wird gleich geschlagen. Sie wollen nicht, dass ihr Hund zu einem Giacomo wird. Die Menschen beschreiten selten einen gesunden Mittelweg. Die Extreme sind ihnen viel lieber. Komm wieder näher zu mir, dann sieht dich niemand.«
    Das stimmte. Neben ihr war er tatsächlich wie Luft. Die Menschen schauten an ihm vorbei, als lenke die Signora alle Blicke ab. Sie erinnerte ihn an seinen alten Trifolao, dabei sprach und dachte sie so viel mehr. Doch es war genauso wohlüberlegt wie bei seinem alten Herrn, der manchmal tagelang nur vor sich hin gegrummelt hatte. Auch bei der Signora war kein Wort zu viel.
    »Wir machen dich jetzt richtig unsichtbar«, sagte sie. Es klang wie ein Zauberspruch. Zwei Straßen später linste sie über die halbhohen Vorhänge in ein Geschäft, auf dessen Schaufenster Hunde gemalt waren, ein riesiger Fön auf ihr Fell gerichtet.
    »Roberta ist allein!« Die Signora öffnete die Glastür. »Nach dir, Giacomo. Geh hinein – doch komm nie wieder heraus.« Hinter sich schloss die Signora ab und drehte das Schild um, welches mit einem roten Band am Türrahmen befestigt war.
    Das lockige Fell der Frau im Laden ließ sicher jeden Königspudel neidisch werden. »Ist das nicht ...? Nein, oder?«Roberta zwickte sich in den Oberarm. »Das kann doch nicht!« Sie schloss die Signora in die Arme. »Du Teufelsweib! Und jetzt? Erst mal oberste Geheimhaltung!« Sie verschwand fix hinter einer seitlichen Tür und plötzlich senkten sich die Rollläden über die Schaufenster.
    »Zeig ihm deine Kunst«, sagte die Signora.
    Giacomo überwältigte die Aromenwelt des Friseursalons. Viele Düfte ahmten Blumen oder Früchte aufs genaueste nach und vermischten sich mit dem Angstschweiß unzähliger Hunde. Trotzdem ließ er sich nun von Roberta auf den Tisch heben, schließlich stand die Signora dabei.
    »Hast du es eben im Radio gehört? Die Sache mit der Bulldogge?«, fragte Roberta.
    Die Signora schüttelte den Kopf.
    »Ist mit blutverschmiertem Maul und roten Haaren, vielleicht war’s auch Fell, gesehen worden«, fuhr die Hundefriseurin fort. »Jetzt glauben sie, das Tier hätte ein Kind gerissen. Weil es doch eine Kampfhundrasse ist! Es wird immer verrückter.

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