Blut & Barolo
ich auf mich auf, Mama. Selbstverständlich komme ich nächsten Mittwoch wieder zum Essen. Wann hätte ich das je vergessen? Aber jetzt muss ich wirklich Schluss machen. Nein, ich will dich nicht loswerden, ich bin nur in einer Kirche. Genau. Natürlich entzünde ich eine Kerze für dich, Mama. Ciao!«
Jetzt erst konnte Amadeus das Gotteshaus vollends sehen. Es war zwar bedeutend kleiner als der Duomo, doch dafür makellos. Die Heimat des Sindone dagegen war seit einem schweren Brand beschädigt. Es war das Feuer, bei dem sein Großvater das heilige Tuch aus den Flammen gerettet hatte, nachdem das Panzerglas unter der Hitze zersprungen war. Die Menschen schrieben diese Heldentat selbstverständlich einem der Ihren zu, einem Feuerwehrmann, dem sein Großvater das Sindone übergeben hatte. Von den Brandwunden an den Pfoten hatte Amadeus’ Großvater sich nie erholt, sein Augenlicht war seitdem schwer getrübt, und die Flammen hatten sämtliche Worte aus seinem Kopf gebrannt, bis zu seinem Tod schwieg er nur noch. So als hätteer bei dem Brand einen Teil seines Lebens im Tausch für das des Sindone gegeben.
Der Priester schlug kniend ein Kreuz, zog danach die Decke auf dem Altarblock gerade und ordnete den Blumenstrauß in der Kristallvase. Nara war verschwunden.
»Hier sind wir ungestört, Gianluca. Ich hab den Damen vorne Bescheid gesagt. Das Museo ist heute zwar geschlossen, aber die Medien scheren sich nicht darum. Sie belagern uns und wollen ihre Aufnahmen machen. Jetzt, wo das echte Sindone nicht mehr da ist, wollen alle das falsche sehen. Aber nun sag schon, was gibt es so Dringendes, dass du es mir nicht am Telefon sagen konntest?«
»Es ist wirklich eine phantastische Reproduktion.«
»Die beste. Jetzt komm endlich zum Punkt.« Der Priester blickte auf seine Uhr. »Der Erzbischof hat geladen, er will besprechen, wie diese Krise zu meistern ist.«
»Und? Kannst du ihm in die Augen blicken?« Gianluca lachte kratzig. »Darf man hier eigentlich rauchen? Bestimmt hat der Herr nichts dagegen.« Er steckte sich eine filterlose an. »Du auch?«
»Was erlaubst du dir?« Der Priester versuchte, Gianluca die Zigarette aus dem Mund zu schlagen, was ihm jedoch misslang.
»Ich feiere nur ein bisschen, Bruder. Das muss doch erlaubt sein.«
»Nichts gibt es zu feiern, wir haben Elend über Turin gebracht. Große Schuld haben wir auf uns geladen.«
Gianluca nahm einen langen Zug und sandte eine beeindruckende Rauchwolke Richtung Kapellendecke. »Hier die gute Nachricht: Der Fallensteller von Stupinigi hat sich doch tatsächlich noch mal gemeldet. Er hat den Lagotto wieder gefangen – und wieder verloren.«
»Wie schrecklich.« Der Priester schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen. »Dieser Hund ist ein Geschöpfdes Teufels. Wie könnte er sonst nur immer wieder entkommen?«
»Wird alles noch besser. Dieser schusselige Fallensteller hat berichtet, der Lagotto sei mit einer Art Rolle geflüchtet. Die zog er wohl hinter sich her. Die Beschreibung trifft auf das Sindone zu.«
»Madonna mia! Wie muss das arme Tuch leiden!« Der Priester trat vor die gerahmte Reproduktion und legte eine Hand darauf. »Immer neues Elend. So war all dies nicht geplant. Will Gott uns strafen für unseren mutigen Plan?«
Gianluca setzte sich auf den Altar. »Die Geschichte ist noch nicht zu Ende! Gott hat uns zwar einen dummen, dafür aber ausdauernden Fallensteller geschickt. Er ist dem Lagotto, der übrigens gemeinsam mit diesem Windspiel unterwegs war, auf einen Parkplatz gefolgt. Dort hielten sie sich versteckt, bis die Nacht einbrach. Doch unser Fallensteller wartete, er wollte anscheinend nicht nach Hause, weil dort eine sehr wütende Frau auf ihn wartete. Das hat er zumindest angedeutet.«
»Gelobt seien die streitsüchtigen Weiber!«
»Der Herr hat ausreichend davon auf die Erde gesandt, Bruder, keine Sorge. Aber weiter im Text: Die Hunde düsten mit dem Sindone ab, er verlor sie letztlich am Parco del Valentino. Ich habe ihm Geld geboten, damit er diese Information für sich behält – und er hat natürlich eingewilligt.«
»Am Parco del Valentino?« Der Priester drehte sich um, stützte sich am schweren Altarblock ab. »Direkt am Po. Wenn es dort hineinfällt, ist es für alle Zeiten verloren.«
»Verstehst du jetzt, warum ich so schnell hergekommen bin? Wir müssen dorthin, alle, die beteiligt waren. Sofort! Im Parco leben viele streunende Hunde, da werden wir sie dingfest machen.«
Der Priester nickte hektisch und
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