Blut der Sternengötter
ein, die ihr finden könnt«, sagte Lord Bardon.
Jonathal war vorangelaufen und suchte bei den Leichen der Wächter, bis er am Gürtel des einen den Schließbolzen fand. Aber als sie dann alle auf die Geketteten zugingen, stieß der Mann, der vergeblich seine Fessel mit dem Peitschenstiel zu öffnen versucht hatte, einen klagenden Schrei aus und duckte sich mit wildem, haßerfüllten Blick. Die Peitsche pfiff durch die Luft und traf Lord Frans’ Arm. Lord Bardon riß seinen Gefährten außer Reichweite der Peitsche.
»Wir hätten daran denken sollen! Geh in Deckung, Frans! Für diese Menschen sind wir Teufel, die sie am meisten fürchten und hassen!«
Jonathal löste zunächst einmal mit dem Schließbolzen die Kette von den toten Larngs. Die halbbetäubten Gefangenen zerrten die Kette zu sich heran und hakten ihre Halsketten aus. Sie waren nun zwar immer noch durch die Halsschrauben paarweise zusammengekettet, aber zumindest konnten sie sich wieder frei bewegen.
Ihre Energie hatte sich in diesem einen Unternehmen erschöpft, und die meisten von ihnen hockten stumpfsinnig im Schnee – bis auf den Peitschenschwinger, der aufstand und seine gorthianischen Retter mit noch nicht gebrochenem Mut konfrontierte. Sein Gesicht war geschwollen, und es wies mehrere Platzwunden auf. Er hätte jeden Alters sein können, aber er bewegte sich wie ein erfahrener Krieger, aufrecht und erhobenen Kopfes. Sein Körper mochte mißhandelt und verletzt sein, sein Geist jedoch war ungebrochen.
»Was tut ihr?« fragte er zögernd.
Jonathal zerrte einem der toten Wächter den Mantel weg und warf ihn um die Schultern einer zitternden Frau. »Wir befreien euch.«
Der Mann wandte sein zerschlagenes Gesicht herum, so daß er sowohl Jonathal als auch Kincar sehen konnte. Kincar gab ihm den besten Beweis ihrer friedlichen Absichten, den er sich denken konnte – er zog dem nächsten Wächter das Schwert aus der Scheide und reichte es, Heft voran, dem befreiten Gefangenen.
Das eine nicht zugeschwollene Auge weitete sich ungläubig, dann schnellte seine Hand vor und riß Kincar das Schwert aus der Hand. Der Mann keuchte, als wäre er einen Berg hinaufgerannt.
»So ist’s recht«, sagte Jonathal beifällig. »Befreit euch und nehmt ein Schwert in die Hand!«
Aber der Gefangene schien ihn gar nicht zu hören, er war damit beschäftigt, das Schwertheft dazu zu benutzen, seine Ketten aufzuzwingen. Die meisten der anderen Gefangenen waren apathisch, und alle wiesen schwere Spuren von Mißhandlung auf. Dann fand Jonathal durch Zufall den Schloßmechanismus heraus, und danach ging es schnell voran. Einige wenige der Befreiten machten sich über die Leichen der Wächter her und suchten nach Vorratsbeuteln.
Kincar kniete neben einer Frau, die ihn verständnislos anstarrte, als er sie zu überreden suchte, von dem groben Brot zu essen, das er ihr in die Hand geschoben hatte, als der Mann zu ihm trat, dem er das Schwert gegeben hatte. Er trug jetzt das Waffenhemd eines Wächters und einen Helm und kaute an einem Streifen getrockneten Fleisches. In der anderen Hand hielt er das bloße Schwert.
»Wer bist du?« murmelte er, aber in seinem Ton lag ein Befehl. »Warum hast du das getan?« Er deutete mit dem Schwert auf die Toten ringsum.
»Wir sind Feinde jeder Herrschaft, die Männer in Ketten schlägt.« Kincar wählte seine Worte mit Bedacht. »Wenn du mehr wissen willst, dann komm mit zu unserem Führer …«
»Mit der Schwertspitze zwischen deinen Schultern werde ich kommen.« Der Mann hob sein Schwert.
»Einverstanden.« Kincar richtete sich auf. »Meine Hände sind offen, Burghauptmann.« Er gab ihm den Titel, der seinem Benehmen angemessen schien.
Ohne sich umzusehen, ob er folgte, ging Kincar zu dem Gebüsch, hinter dem die Sternenlords Deckung gesucht hatten. Ein anderer hatte jedoch schon vor ihm den Weg dorthin gefunden. Als Kincar die Zweige beiseite bog, sah er Lord Bardon und Lord Frans mit Ospik, der ihnen die Pfeile reichte, die er eingesammelt hatte. Aber die drei waren, ohne es zu wissen, nicht allein. Einer der Wächter hatte den Angriff überlebt – und nicht nur überlebt, sondern auch die Urheber dieses plötzlichen Todes ausfindig gemacht.
Vielleicht hielt ihn zunächst die Überraschung zurück, als er entdeckte, wer die Attacke geführt hatte – Sternenlords! Aber jetzt kauerte er hinter Lord Bardon, konzentrierte Wut auf seinem hageren Gesicht und ein schmales, scharfes Messer in der Hand. Kincar, der sehr wohl
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