Blut der Wölfin
ihn mitgebracht.
Jeremy holte ein Papiertuch aus der Tasche und wischte die Innenseite des Kaffeebechers trocken, bevor er ihn zusammenknüllte und in meinen Rucksack schob. Der Brief steckte zwar noch in seinem Plastikbeutel, aber ich nehme an, er wollte nicht das Risiko eingehen, Kaffeeflecken auf ihm zu hinterlassen. Ich war schon dabei, den Reißverschluss wieder zuzuziehen, hielt dann aber inne und holte den Brief heraus.
»Sollen wir …? Ich meine, kann ich ihn mir mal ansehen? Bevor wir ihn abliefern?«
Jeremy zögerte.
»Ich werde vorsichtig sein«, sagte ich. »Ich habe die hier.« Ich zog die Latexhandschuhe aus der Tasche.
Er zögerte immer noch, aber ich merkte ihm an, dass er ebenso neugierig war wie ich, und einen Moment später nickte er.
Wir gingen an den Straßenrand und stellten uns unter eine Laterne. Ich stellte meinen Milchkaffee auf dem Bordstein ab, zog die Handschuhe an, öffnete den Plastikbeutel, griff hinein und zog den Brief heraus. Ich hatte erwartet, dass er sich spröde anfühlen würde, aber er war seltsam weich, fast stoffartig, als sei er mit den Jahren weicher geworden.
Ich rollte ihn auf. Das Papier war bräunlich, die Farbe ungleichmäßig. Ich bezweifelte, dass ein, zwei Tropfen von Jeremys Kaffee noch allzu viel ausgemacht hätten. Der Brief war schon jetzt mit Tinte und anderen Substanzen gesprenkelt. Ich erinnerte mich plötzlich, gelesen zu haben, dass er in einer Pappschachtel zusammen mit Teilen einer in Wein konservierten Niere eingetroffen war; ich hoffte wirklich, dass die rötlichen Spritzer Wein gewesen waren.
Die Schrift war ein kaum zu entzifferndes Gekrakel, und knapp ein Viertel der Wörter waren fehlerhaft geschrieben. Hätte ich nicht gewusst, was da angeblich stand, hätte ich nicht die Hälfte davon verstanden.
»Sieht aus, als wäre das absichtlich falsch geschrieben worden«, sagte ich.
»In dieser Hinsicht ist man sich auch über die anderen Ripper-Briefe einig«, sagte Jeremy. »Die Rechtschreibung ist vollkommen wild – manche Wörter sind einmal korrekt und dann wieder falsch geschrieben.«
Clays Hand klatschte auf meinen Oberarm. Ich fuhr so rasch herum, dass ich fast das Gleichgewicht verlor.
»Moskito«, sagte er.
Ich stierte ihn wütend an.
»Die haben das West-Nil-Virus hier, oder nicht?«, fragte er.
»Genau wie bei uns zu Hause«, antwortete ich mit zusammengebissenen Zähnen.
»Aber zu Hause hast du dieses Zeug aufgetragen, das Jeremy dir besorgt hat. Du hast es nicht mitgebracht, oder?«
»Clayton hat recht«, sagte Jeremy leise. »Ich weiß, die Gefahr ist sehr gering, aber wenn du das Abwehrmittel vergessen hast, solltest du im Dunkeln wirklich lange Ärmel tragen. Wenn du dir das Virus zuziehst, kann es …«
»Auf das Baby übertragen werden, ich weiß. Aber wenn man bedenkt, was ich schon alles auf mein Baby übertrage, ist das West-Nil-Virus wahrscheinlich das geringste Problem.« Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich zu Clay hin. »Schlag mich noch mal, und ich schlage zurück. Vielleicht kannst du härter schlagen, aber ich möchte dich es
wagen
sehen, härter zuzuschlagen.«
Ein kleines Lächeln. »Bist du dir da sicher?«
»Willst du’s probieren?«
»Halt«, sagte Jeremy. »Keine Klatschwettbewerbe. Zumindest nicht, solange du den Brief noch in der Hand hast. Da, pack ihn lieber weg. Es sieht aus, als hätte er schon einen Knick.«
»Scheiße!« Ich glättete hastig das Papier. »Da. Kein Schaden entst …«
Die Mücke war noch auf dem Papier, ein plattgequetschter dunkler Fleck. Sie musste auf das Blatt gefallen sein, bevor ich es versehentlich zusammengedrückt hatte.
Jeremy schüttelte den Kopf. »Es macht nichts, er hat schon genügend Flecken. Ich sehe ihn mir noch genauer an, bevor wir ihn abliefern. Roll ihn jetzt zusammen. Schnell.«
»Bevor ich ihn aus Versehen in den Rinnstein fallen lasse und dann drauftrete«, murmelte ich. »Ich glaub’s nicht, dass ich das getan habe.«
»War nicht deine Schuld«, sagte Clay.
»Stimmt, war es auch nicht.« Ich warf einen finsteren Blick in seine Richtung. »Mückenkiller.«
»Yeah, aber ich hab sie nur umgebracht. Zerquetscht hast du sie.«
»Du glaubst, du hättest sie nicht zerquetscht, als du sie umgebracht hast?«
Jeremy seufzte.
Ich sah zu ihm hinüber. »Und du dachtest, wir wären reif genug für Kinder?«
»Nein, ich dachte, eins mehr würde auch keinen Unterschied mehr machen. Kann ich jetzt den Brief haben, bitte?«
Ich schob die Tüte
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