Blut der Wölfin
in den Rucksack und reichte ihn ihm hin. Er betrachtete ihn genauer – er war giftgrün mit einer Margeritenblüte vorn drauf.
»Hey, ich hab den nicht ausgesucht«, sagte ich. »Du hast ihn gekauft, du kannst ihn auch tragen.«
Er nahm den Rucksack mit einem langsamen Kopfschütteln entgegen. »Bringen wir das hier ins Hotel, sehen es uns auf Schäden an und schicken es an Xavier.«
Clay und ich wechselten einen Blick und sahen unsere Aussichten auf einen Stadtlauf schwinden.
»Äh, Jer«, sagte Clay. »Elena und ich hatten uns überlegt …«
Er brach ab; seine Augen wurden schmal, als sein Blick sich auf etwas hinter meiner Schulter richtete. Ich sah in die gleiche Richtung und entdeckte einen Vorhang aus Rauch, der von der Straße aufstieg. Es sah aus wie Dampf aus einem Gully … nur dass kein Gully und auch kein Kanaldeckel in Sicht war. Ich ging hin und entdeckte einen haarfeinen Riss im Asphalt. Dann packte Clay mich am Arm und riss mich zurück.
»Du brauchst mich nicht so anzusehen«, sagte er, als ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. »Du weißt nicht, was das da ist.«
»Ein unterirdischer Vulkan, der uns alle unter einem Berg heißer Lava begraben wird?«
Der Rauch stieg auf, eine dünne, langsam nach oben treibende Linie, die sich auf Taillenhöhe auflöste. Jeremy ging in die Hocke, um besser zu sehen.
»Wahrscheinlich Wasserdampf, der sich irgendwo gesammelt hat«, sagte er.
Clay wippte auf den Fußballen und kämpfte gegen den Wunsch an, auch Jeremy aus dem Weg zu zerren.
»Ich glaube nicht, dass das West-Nil-Virus-Trägerdampf ist«, sagte ich.
Als Clay sich nicht rührte, legte ich ihm die Finger auf den Arm. Er nickte, aber ich spürte die Anspannung, die von ihm ausging. Er beobachtete immer noch Jeremy.
»Jer?«, sagte ich. »Wir sollten vielleicht gehen.«
»Mhm.«
Jeremy strich mit den Fingerspitzen durch den Rauch. Clay machte ein halb ersticktes Geräusch.
Ich tippte Jeremy auf die Schulter. »Wir sollten wirklich gehen. Bevor irgendein Anwohner den Rauch sieht. Und uns.«
»Ja, in Ordnung.«
Er stand auf. Aber weiter bewegte er sich nicht, starrte einfach nur den Rauch an, eine Falte zwischen den Brauen. Dann hob er ruckartig den Kopf; sein Körper wurde starr. Ich folgte seiner Blickrichtung und sah nichts, nur die Bäume, raschelndes Laub …
»Clay!«, schrie Jeremy.
Hände packten mich an den Armen, und ich flog nach hinten, stolperte, wurde hochgehoben; meine Füße lösten sich vom Asphalt, die Finger waren fest um meine Oberarme geschlossen, zerrten mich halb aus dem Weg, und halb trugen sie mich. Mein Rücken rammte eine niedrige Gartenmauer. Ein Blitz erhellte den Nachthimmel, als über uns in einem Schauer von Funken ein Transformator explodierte. Dann wurde alles dunkel, weil der Körper meines Retters mich von der Funkenkaskade abschirmte.
»Clay!« Die Stimme kam von irgendwo über mir, und als mein Kopf klarer wurde, ging mir auf, dass es Jeremy gewesen war und nicht Clay, der mich beschützt hatte, der mich von dem Transformator fortgerissen hatte … bevor der explodiert war.
»Clay!«
»Hier«, sagte eine Stimme neben uns. »Wo ist Elena?«
»Sie ist hier.« Jeremy sah mich an. »Alles in Ordnung?«
»Ich sehe immer noch Sterne.«
Ich zwinkerte und stellte fest, dass ich Sterne sah, weil wirklich welche da waren – Funken auf dem Boden von der Leitung, die von dem explodierenden Transformator heruntergefallen und genau dort gelandet war, wo wir gestanden hatten.
Die Leitung prasselte und wurde dann dunkel – und mit ihr alles um uns herum. Ich wartete darauf, dass meine Nachtsicht sich einschaltete, aber der Mond war hinter einer Wolkendecke verschwunden, und ich erkannte nur Umrisse.
»Was immer das auch war, ich war’s nicht«, sagte Clay, während er aufstand.
Jeremy teilte ihm mit einem Zischen und einer Handbewegung mit, er solle den Mund halten. Wieder folgte ich seiner Blickrichtung. Wieder sah ich zunächst nichts. Dann bewegte sich in sechs oder sieben Meter Entfernung ein Schatten. Ich kniff die Augen zusammen und erkannte eine undeutliche Gestalt, die mitten auf der Straße zu kauern schien.
Ich versuchte einen Schritt vorwärts zu machen, aber Jeremys Hand schloss sich um meinen Arm. Ich fing einen flüchtigen Geruch auf – der Wind trug ihn zwar von mir weg, aber er war kräftig genug, um bis zu mir zu reichen. Es war der Gestank eines ungewaschenen Körpers gemischt mit etwas, das irgendwie nach Krankheit
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