Blut der Wölfin
standen auf einem Rasenstreifen zwischen der Straße und unserem Hotelparkplatz. Autos schossen vorbei, aber es war kein Mensch zu sehen. Eine vielbefahrene Straße ohne Gehwege ermutigte einen nicht gerade, hier zu Fuß zu gehen.
»Vielleicht ist jemand, den du kennst, mit offenem Fenster vorbeigefahren.« Er warf einen Blick zu der Reihe von Läden auf der anderen Straßenseite hinüber. »Oder dort ausgestiegen.«
Ich nickte. »Wahrscheinlich. Wer es auch war, jetzt ist es weg.«
Wir holten Jeremy ein und gingen zu unserem Geländewagen.
Ich wechselte bis Buffalo ständig die Radiosender, hörte mir am Anfang und Ende jeder Stunde die Nachrichten der Privatsender an und kehrte zu CBC zurück, wenn sie zu Musik übergingen. Als wir Buffalo hinter uns hatten und die kanadischen Sender allmählich zu Störgeräusch zerflossen, war ich überzeugt, dass Jeremy recht gehabt hatte. Was da auch passiert war in der vergangenen Nacht, wir konnten ungefährdet nach Hause fahren.
Wir nahmen die Ausfahrt Darien Lake, um zu tanken – sowohl Benzin als auch Essbares. Fürs Mittagessen hatten wir ein Lieblingsrestaurant bei Rochester vorgesehen, aber das Frühstück lag jetzt zwei Stunden zurück, und unsere Mägen meldeten sich. Na ja, Clays und meiner meldeten sich; bei Jeremy wusste man das nie.
Im Laden griff ich mir einen Donut und eine Schokoladenmilch – abgepacktes Zeug, aber was anderes hatten sie dort nicht.
Es herrschte viel Betrieb in dem Geschäft; es gab nur zwei Kassen, und an einer davon hantierte die Kassiererin mit ihrer Schublade, so dass die Schlange inzwischen bis zu den Kühlfächern reichte. Ständig streiften mich Leute, die zum Getränkeschrank wollten. Ich habe es noch nie sehr gemocht, wenn meine Privatsphäre verletzt wird, aber in letzter Zeit führte die übergroße Nähe von Fremden dazu, dass ich entweder um mich schlagen oder einfach nur wegrennen wollte.
Als ich nun in dieser Schlange feststeckte, in einem geschlossenen Raum und von zu vielen Leuten umgeben, glitt mein Blick immer wieder zur Tür hinüber, hinter der Freiheit und frische Luft lagen. Vor allem frische Luft. Die Mischung aus menschlichen Ausdünstungen, billigem Parfum und Frittierfett vom Restaurant her ließ meinen Magen rebellieren, und ich begann mich zu fragen, ob ich überhaupt etwas essen konnte.
Ein Lastwagenfahrer rempelte mich im Vorbeigehen so hart an, dass ich rückwärts gegen das Regal torkelte. Er streckte den Arm aus, um mich abzufangen, und blies mir Kaffeedunst und Mundgeruch ins Gesicht. Eine andere Hand stützte mich von hinten ab. Clay warf dem Trucker einen wütenden Blick zu, woraufhin der etwas Entschuldigendes murmelte und sich an uns vorbeischob.
Clay nahm mir die Milchtüte und den Donut ab und stapelte beides noch auf die Dinge, die er für sich und Jeremy ausgesucht hatte.
»Hey«, murrte der Mann hinter uns. »Das ist eine Schlange, wissen Sie? Sie können sich nicht einfach hier …«
Clay drehte sich um und sah ihn an, woraufhin der Mann hastig den Mund zumachte. Ich beugte mich zur Seite, um herauszufinden, warum es nicht vorwärts ging.
»Alles okay?«, flüsterte Clay.
Ich sah rasch in die Runde. »Bloß ein bisschen klaustrophobisch.«
Er nickte, sagte aber nichts dazu. Es war auch gar nicht nötig. Clay hasste Menschenmengen, hatte sie schon immer gehasst, und ich hatte ihm deshalb immer Vorwürfe gemacht und es auf seine Abneigung gegen Menschen im Allgemeinen geschoben. Aber jetzt sah ich ihm in die Augen und entdeckte das Spiegelbild meiner eigenen Reaktionen dort – Unbehagen, nicht Abneigung –, und ich wusste, dass ich nie wieder Bemerkungen machen würde, weil er einen Bogen um belebte Einkaufszentren oder volle Kinos machte.
Er schob sich neben mich; seine Hüfte streifte meine. »Geh schon mal raus. An die frische Luft.«
»Ich …«
Er stieß mich erneut mit der Hüfte an, was seinen Stapel von abgepacktem Zeug ins Schwanken brachte. »Geh schon, streck die Beine. Da draußen ist eine Wiese, oder? Hinter dem Gebäude?«
»Ich glaube ja.«
»Dann such eine Stelle zum Picknicken. Treib Jeremy auf, ich komme dazu.«
»Danke.«
Jeremy war draußen und beäugte einen von diesen neuen Hybrid-Geländewagen.
»Überlegst du dir, den Explorer auszutauschen?«, fragte ich.
»Ich habe an dich gedacht.«
»Ich habe ein Auto.«
»Halb tot, keine Airbags, keine Kindergurte und ganz entschieden nicht familienfreundlich.« Er winkte zu dem
Weitere Kostenlose Bücher