Blut der Wölfin
einem leichten Schaudern. »Ein
angenagter
Finger. Ist das nicht …« Ich kämpfte den Ekel nieder und holte tiefer Luft. »Der gehört zu Rose.«
»Meinst du, die Ratten haben sie erwischt?«, fragte Nick.
Als wir uns alle zu ihm umdrehten, sagte er: »Was? Sie riecht nach Verwesung, oder vielleicht nicht? Und Ratten sind Aasfresser.«
Jeremy schüttelte den Kopf. »Ich glaube, die Verwesung ist der Grund, dass sie den Finger verloren hat, nicht die Ratten.«
»Dann fällt sie also auseinander?«, fragte ich.
»Die äußeren Gliedmaßen würden als Erstes abfallen.«
»Von dem ›Igitt‹-Faktor mal abgesehen, könnte uns das vielleicht nützen. Wenn sie auseinanderfällt, läuft das dann unter tot?«
»Bei dem Glück, das wir bisher gehabt haben, wahrscheinlich nicht«, sagte Clay. »Vielleicht sollten wir das hier aufheben. Für den Fall, dass wir alle Stücke finden und zusammensetzen müssen, bevor wir das Portal schließen können.«
»Ich glaube nicht, dass wir dabei erwischt werden wollen, wie wir menschliche Körperteile mit uns herumtragen«, sagte Jeremy. »Und sobald wir auf eine Toilette stoßen, will ich, dass du dir die Hände wäschst. Gründlich.«
Ich schob mich neben Jeremy, als wir den Gang entlanggingen. »Kannst du feststellen, was diese Ratten haben?«
»Nicht am Geruch, aber vor hundert Jahren hat es mehrere Krankheiten gegeben, die auch bei Ratten häufig aufgetreten sind und die man heutzutage kaum noch antrifft.«
»Meinst du, das ist die Erklärung? Wie die Cholera und Roses Syphilis. Könnte es noch etwas anderes sein, das durch das Portal gekommen ist?«
»Es ist nicht deine Schuld, Elena. Und es gibt sehr wenig, was die viktorianische Epoche uns bescheren könnte, das heute nicht heilbar ist.«
»Bisher«, sagte ich. »Aber was, wenn das nächste …«
»Wenn wir dieses Portal schließen, wird es ein Nächstes nicht geben. Konzentrieren wir uns darauf – und fangen wir an, indem wir einen Zombie auftreiben, der uns zu seinem Meister führen kann.« Jeremy blieb stehen und sah sich um. »Hier trennen wir uns. Ich bezweifle, dass Rose noch hier im Haus ist, aber vielleicht kommt sie zurück.«
[home]
Vaterschaft
W ir brachten die Durchsuchung des Gebäudes hinter uns, fanden aber keine Spur von Rose. Um elf Uhr schickte Jeremy Clay und mich auf die Suche nach Zoe. Dieses Mal betraten wir das Miller’s zusammen. Unser Auftauchen verursachte unter den Stammgästen nur eine sehr schwache Welle des Interesses. Ein Blick durch den Raum teilte uns mit, dass Zoe nicht da war.
»Sucht ihr wieder nach Zoe?«, fragte uns der Barmann.
Ich nickte und trat an die Theke. »War sie heute da?«
Er schüttelte den Kopf. »Kommt vielleicht auch nicht mehr. Gestern Abend habt ihr Glück gehabt. Wenn sie doch noch vorbeikommt, sag ich ihr, dass ihr da wart.«
Ich bedankte mich, und wir gingen.
Danach kehrten wir zu dem Lagerhaus zurück, wo wir zu fünft herumhingen und auf Rose warteten. Als sie um zwei Uhr nachts noch nicht aufgetaucht war, erklärte Jeremy das Unternehmen für fehlgeschlagen. Was untertrieben war. Wir konnten den ganzen
Tag
vergessen, und wir waren unserem Ziel immer noch nicht näher gekommen, Shanahan oder einen Zombie zu finden beziehungsweise das Portal zu schließen. Shahanan hatte nicht mal wegen der Geldanlage zurückgerufen.
Ein Stoß in den Magen weckte mich am nächsten Morgen auf. Ich fuhr hoch, beide Hände auf dem Bauch, und drehte mich um, um Clay mitzuteilen, dass ich das Baby strampeln spürte, dass ich es endlich …
»Sorry«, murmelte Nick.
Ich war nicht überrascht, Nick neben mir schlafen zu sehen. Tatsächlich wäre ich überraschter gewesen, ihn
nicht
neben mir zu sehen. Wenn das Rudel zusammen war, war es ganz üblich, zusammen zu schlafen … und das bedeutet nicht das, wonach es vielleicht klingt. Unser Herumalbern mochte die Definition von
platonisch
gelegentlich etwas strapazieren, aber Clay und ich sind monogam – fanatisch monogam, wie Nick manchmal mault. Eine typische Wolfssache – ein Partner fürs Leben und all das.
»Das warst du? Dieser Rippenstoß?«
»Yeah.« Nick zwinkerte und rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Wild gewordener Ellenbogen. Sag Jeremy nächstes Mal, du brauchst ein größeres Bett.« Er unterbrach sich. »Ach so, du hast gedacht, das Baby strampelt. Mist. Das tut mir leid.«
»Braucht es nicht«, sagte ich und drehte den Kopf, bevor er meinen Gesichtsausdruck sehen konnte. »Der Typ
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