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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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fünf Tagen, am Sonntag, war ich zu Hause. Lucy hatte mich und Benton in eine Tequilabar eingeladen, die inzwischen ihre Lieblingskneipe ist. Lolita Cocina. Die Bedienung könnte sicherlich bezeugen, dass ich am fraglichen Abend dort war, also um sechzehn Uhr fünfundvierzig unmöglich fünfzehnhundert Kilometer weiter südlich in Savannah und um neunzehn Uhr pünktlich zum Abendessen zurück in Bostons Back Bay hätte sein können.
    »Ich muss ein paar Sachen holen und außerdem kurz für kleine Jungs.« Marino drängt sich an mir vorbei.
    »Dann muss ich Sie begleiten«, höre ich Officer Macons Stimme. Im gleichen Moment fällt mir ein, dass jemand behaupten könnte, Marino habe den Brief in meinem Auftrag verschickt. Schließlich war er am 26. Juni hier oder zumindest ganz in der Nähe in South Carolina.
    Ich wende mich wieder Chang zu, der in der Tür steht und mich mit dunklen Augen mustert.
    »Wenn es Sie nicht stört, würde ich mir gern noch ein paar Dinge ansehen. Dann bin ich hier fertig und zeige Ihnen meine Ausbeute«, sage ich zu ihm.
    Er schaut auf die Uhr und dreht sich um, als Officer Macon Marino zur Toilette bringt.
    »Ist der Transporter schon da?«, frage ich.
    »Alles ist bereit.«
    »Was ist mit Colin?«
    »Ich glaube, der wartet nur noch auf Sie. Er will sich erst im Institut weiter mit ihr befassen.«
    »Gut. Ich fotografiere noch ihre Hände, falls es Ihnen recht ist.«
    »Ich habe genug Fotos gemacht.«
    »Sicher. Aber wie Sie vielleicht schon festgestellt haben, übertreibe ich es gern«, erwidere ich.
    »Was halten Sie in diesem Fall von einem richtigen Fotoapparat? Und wenn Sie schon beim Übertreiben sind: Es gibt hier auch einen Spind.«
    »Einen Spind?« Suchend sehe ich mich in der Zelle um.
    »Am Fußende des Betts befestigt.« Er deutet mit dem Finger darauf. »Unter der Bettdecke versteckt.«
    »Da würde ich gern mal reinschauen.«
    »Viel Vergnügen.«
    »Ich beeile mich, damit Sie reinkommen und die Sachen mitnehmen können, die ins Labor müssen. Sie wollen bestimmt schnell raus hier.«
    »Kein Problem. Ich liebe Gefängnisse. Sie erinnern mich an meine erste Ehe.«
    Ich nehme die übrigen Gegenstände auf Kathleens Schreibtisch unter die Lupe. Ein dünner Stapel billiges weißes Papier und schlichte Umschläge. Ein durchsichtiger Bic-Kugelschreiber, ein Heft selbstklebender Briefmarken und ein aufgeklappter kleiner Block, der offenbar als Adressbuch dient. Ich erkenne keinen der Namen wieder, blättere weiter und suche nach Dawn Kincaid und Jack Fielding. Aber vergeblich. Hinter den meisten Namen stehen Adressen in Georgia, und als ich auf die Triple R Ranch am Stadtrand von Atlanta stoße, wird mir klar, wie alt dieses Adressbuch sein muss. Triple R war die Einrichtung, in der Kathleen Mitte bis Ende der siebziger Jahre als Therapeutin gearbeitet hat und Jack begegnet ist. Also ist es mindestens dreißig Jahre alt, denke ich, während ich weiterblättere. Die Leute, denen sie in letzter Zeit geschrieben hat, sind ganz sicher nicht hier verzeichnet. Falls sie ein aktuelles Adressbuch besessen hat, ist es nun spurlos verschwunden.
    »Das sollten wir auch einpacken«, meine ich zu Ermittler Chang.
    »Ja, das habe ich auch schon bemerkt.«
    »Alt.«
    »Richtig.« Er weiß, worauf ich hinauswill. »Natürlich könnte es auch sein, dass sie keine Freunde mehr hat, denen sie schreibt oder die sie anruft.«
    »Mir hat man erzählt, dass sie gern Briefe geschrieben hat.« Ich öffne das Briefmarkenheftchen und stelle fest, dass sechs von zwanzig fehlen. »Sie hat in der Bibliothek gearbeitet, um Geld für den Gefängnisladen zu verdienen. Vielleicht hat ihr ja die Verwandtschaft hin und wieder etwas zugesteckt.« Das heißt, Dawn Kincaid.
    »In den letzten fünf Monaten kam nichts von der Familie. Auch nicht nach ihrer Verlegung in den Hochsicherheitsbereich.«
    »Nein«, stimme ich zu. Seit Kathleen in Haus Bravo saß, hatte sie keine Möglichkeit mehr, ihr Konto aufzufüllen. Und Dawn konnte vom Butler Hospital und davor vom Gefängnis in Cambridge aus auch nichts beitragen. »Es würde mich interessieren, wie viel Geld noch auf dem Konto ist und was sie in letzter Zeit gekauft hat«, sage ich.
    »Gute Idee.«
    Ich entdecke ein Taschenwörterbuch, ein Synonymwörterbuch und zwei Gedichtbände aus der Bibliothek, Wordsworth und Keats. Als Nächstes wende ich mich dem Bett zu, kauere mich ans Fußende und schiebe Decke und Laken beiseite. Dabei achte ich auf Kathleen Lawlers Beine,

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