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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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grauen Wänden hängen handgeschriebene Gedichte und Passagen aus Prosatexten, die Kathleen in ihren E-Mails an mich erwähnt hat. Das Gedicht mit dem Titel Schicksal befindet sich direkt über dem schmalen, an der Wand verankerten Schreibtisch. Neben einem am Boden befestigten Stahlhocker steht noch ein durchsichtiger Plastikkorb, der ein wenig großer ist. Er enthält Unterwäsche, eine ordentlich gefaltete Garnitur Gefängniskleidung, Päckchen mit chinesischer Nudelsuppe und zwei Doughnuts, die Kathleen vermutlich im Gefängnisladen gekauft hat. Mir hat sie erzählt, sie habe kein Geld, weil sie die Arbeit in der Bibliothek verloren habe. Und dennoch hat sie offenbar eingekauft. Vielleicht hat sie die Sachen ja schon vor längerer Zeit erworben. Ich denke daran, dass sie ja erst seit zwei Wochen in Haus Bravo in Einzelhaft sitzt. Mit einem behandschuhten Finger drücke ich auf die Doughnuts. Sie sind nicht hart.
    Am Boden des Korbs liegen einige Dutzend Ausgaben von Inklings , einschließlich der vom Juni, auf die Kathleen in ihrem Tagebucheintrag anspielt. Auf dem Titel sind Porträts der Autorinnen abgedruckt, Bilder im Stil von Andy Warhol von jeder Frau, die einen Monat lang berühmt sein wird, weil etwas, was sie geschrieben hat, für die Insassinnen des GPFW und vielleicht auch andere, die Zugang zu der Zeitschrift haben, zu lesen ist. Auf der Rückseite befindet sich das Impressum, in dem die für Layout und Gestaltung Verantwortlichen und natürlich die Chefredakteurin Kathleen Lawler aufgelistet werden. Besonderer Dank gilt Direktorin Tara Grimm für ihre Unterstützung, »ihre Menschlichkeit und ihre aufgeklärte Haltung«.
    »Sie ist noch ziemlich warm«, Colin kauert, das Thermometer in der Hand, neben dem Bett aus Stahl. »Vierunddreißig Grad.«
    »Hier drin sind es fünfundzwanzig«, ergänzt Marino und hält mit behandschuhten Händen das Thermometer hoch, das am Fußende des Betts gelegen hat. Er schaut auf die Uhr. »Um vierzehn Uhr neunzehn.«
    »Angeblich seit zwei Stunden tot, und sie ist um vier Grad abgekühlt«, merke ich an. »Ein bisschen schnell, aber noch im Normalbereich.« Mehr kann ich im Moment nicht sagen.
    »Nun, sie ist bekleidet, und es ist verhältnismäßig warm hier drin«, stimmt Colin zu. »Auf diese Weise kriegen wir nur einen Schätzwert.«
    Damit deutet er an, dass wir anhand von Veränderungen nach dem Tod wie Körpertemperatur oder Leichenstarre nicht herausfinden werden, ob Kathleen schon eine halbe oder sogar eine Stunde länger tot ist, als man uns weismachen will.
    »Die Leichenstarre in ihren Fingern fängt gerade erst an.« Colin bewegt die Finger von Kathleens linker Hand. »Totenflecken sind noch keine zu sehen.«
    »Ob sie sich draußen beim Hofgang überhitzt hat?«, fragt Marino, während er die Texte an den Wänden betrachtet und jeden Zentimeter der Zelle auf sich wirken lässt. »Vielleicht war es ja ein Hitzschlag. So was kann passieren, oder? Man geht zwar wieder rein, aber man ist bereits angezählt.«
    »Wenn es ein Hitzschlag gewesen wäre«, erwidert Colin beim Aufstehen, »wäre ihre Körpertemperatur höher. Selbst noch mehrere Stunden später. Außerdem hätte sich die Entwicklung der Leichenstarre beschleunigt und stünde in keinem Verhältnis zu den Totenflecken. Hinzu kommt, dass die Symptome, wie ihre Zellennachbarin sie schildert, nicht zu einem langen Aufenthalt in großer Hitze passen. Herzstillstand? Nun, das ist möglich und kann sicherlich eine Folge anstrengender körperlicher Betätigung an einem heißen Tag sein.«
    »Sie hat nichts weiter getan, als im Käfig im Kreis herum zu gehen. Und alle ein oder zwei Runden hat sie eine Pause gemacht «, wiederholt Marino, was uns gesagt worden ist.
    »Anstrengend definiert sich für jeden anders«, entgegnet Colin. »Wie ist das bei jemandem, der die meiste Zeit sitzend in einer Zelle verbringt? Sie geht nach draußen, wo es sehr heiß und schwül ist, und verliert zu viel Flüssigkeit. Das Blutvolumen sinkt, und das setzt das Herz unter Druck.«
    »Sie hat draußen Wasser getrunken«, wendet Marino ein.
    »Aber war es auch genug? Hat sie in ihrer Zelle genug getrunken? Ich bezweifle das. Der durchschnittliche Mensch verliert an einem normalen Tag etwa zweieinhalb Liter Wasser. An einem außergewöhnlich heißen Tag können es auch zwölf Liter oder mehr sein, wenn man viel schwitzt«, sagt Colin.
    Er kommt aus der Zelle und fragt Chang, ob er etwas dagegen hat, wenn ich mir die Sachen auf

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