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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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den Regalen und dem Schreibtisch näher ansehe. Chang stört es nicht. Als ich nach einem durchsichtigen Plastikkorb voller Briefe greife, fallen mir die ein, die Jack Fielding angeblich an sie geschrieben hat und in denen er mich als schwierig und als unerträgliche Vorgesetzte bezeichnet haben soll. Ich suche nach Briefen von ihm oder von Dawn Kincaid, aber vergeblich. Ich entdecke auch sonst nichts Wichtiges, bis auf einen Brief, der scheinbar von mir ist. Ungläubig starre ich auf die Absenderadresse und das Logo des CFC, aufgedruckt auf einen der weißen Umschläge, die Bryce stets in Chargen zu fünftausend Stück bestellt.
     
    Kay Scarpetta, MD, JD
    COL USAF
    Chief Medical Examiner und Leiterin
    Cambridge Forensic Center
     
    Die selbstklebende Lasche ist aufgeschlitzt worden, vermutlich von Gefängnismitarbeitern, die jegliche eingehende Post lesen. Darin befindet sich ein gefaltetes Blatt Papier mit dem Briefkopf meines Büros. Der Brief ist getippt und sieht aus, als hätte ich ihn selbst mit schwarzer Tinte unterzeichnet.
     
    26. Juni
    Liebe Kathleen,
    ich weiß Ihre E-Mails sehr zu schätzen, in denen Sie mir von Jack erzählen. Ihren Schmerz und seine Außwirkungen unter den beengten Verhältnissen, in denen Sie seit Ihrer Verlegung in die Einzelhaft sicher leben, wage ich mir kaum auszumalen. Ich freue mich schon auf unser Gespräch am 30. Juni über einen ganz besonderen Mann, den wir beide kannten. Er hat unser Leben sehr stark beeinflusst, und es ist mir wichtig, Ihnen klarzumachen, dass ich immer nur sein Bestes wollte und ihm nie absichtlich weh getan hätte.
    Nun werden wir uns nach all den Jahren endlich kennenlernen und natürlich den Kontakt halten. Sagen Sie mir wie immer Bescheid, falls Sie etwas brauchen.
    Viele Grüße,
    Kay

22
    Erst spüre ich Marinos Gegenwart, dann steht er neben mir, betrachtet den Brief in meiner Hand und liest die Zeilen. Ich sehe ihn an und schüttle fast unmerklich den Kopf.
    »Was zum Teufel?«, flüstert er. Ich antworte, indem ich auf das Wort Außwirkungen zeige, das eindeutig falsch geschrieben ist. Allerdings versteht Marino mich offenbar nicht, und ich kann ihm im Moment weder den Fehler noch die Tatsache erläutern, dass die Wortwahl so gar nicht nach mir klingt. Außerdem würde ich einen solchen Brief niemals mit »Viele Grüße, Kay« unterzeichnen, als wären Kathleen Lawler und ich wirklich Freundinnen gewesen.
    Nie hätte ich ihr geschrieben oder gesagt, ich hätte Jack Fielding »nie absichtlich Schaden zugefügt«, als wollte ich andeuten, ich könnte es vielleicht unabsichtlich getan haben. Ich denke an Jaimes Worte von gestern. Kathleens Tochter Dawn Kincaid verbreitet überall, dass ich psychisch labil und gewalttätig bin. Allerdings kann dieser gefälschte Brief nicht von Dawn Kincaid stammen. Im Butler State Hospital, wo sie hinter Schloss und Riegel saß, als er abgeschickt wurde, hätte sie so etwas nicht arrangieren können.
    Ich halte den Briefbogen hoch, damit Marino sieht, dass das Wasserzeichen des CFC fehlt, und den Brief als Fälschung erkennt. Dann lege ich ihn auf den Schreibtisch und tue etwas, was Marino bei mir so schnell wohl nicht mehr erleben wird. Ich ziehe die Handschuhe aus, stopfe sie in die Tasche meines weißen Schutzanzugs und fange an, mit meinem iPhone Fotos zu machen.
    »Willst du die Nikon?«, fragt er mit erstaunter Miene. »Einen Maßstab?«
    »Nein«, unterbreche ich ihn.
    Ich möchte weder die Fünfunddreißig-Millimeter-Kamera noch ein Objektiv für Nahaufnahmen, ein Stativ oder besondere Beleuchtung. Und ich will auch kein beschriftetes Achtzehn- Zentimeter-Lineal, um den Maßstab festzulegen. Ich habe nämlich andere Gründe, diese Fotos zu machen. Obwohl ich Marino nicht verrate, worauf ich hinauswill, fühle ich mich verpflichtet, es Chang zu erklären, der uns von der Türschwelle aus aufmerksam beobachtet.
    »Sie haben doch sicher ein Labor zur Untersuchung von gefälschten Dokumenten.« Ich trete näher an ihn heran.
    »Haben wir.« Er sieht zu, wie ich Bryce, meinem Verwaltungschef, eine SMS schicke.
    »Proben meines offiziellen Briefpapiers werden per FedEx- Eilzustellung über Nacht an Ihr Labor geschickt. Wer nimmt sie in Empfang?«
    »Wahrscheinlich ich selbst.«
    »Okay. Sammy Chang, GBI-Ermittlungsabteilung«, tippe ich, während ich weiterspreche. »Ich gehe jede Wette ein, dass eine Untersuchung deutliche Unterschiede zwischen dem echten Briefpapier des CFC und diesem hier zutagefördern

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