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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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die über die Kante hängen. Als ich mit der linken Schulter ihre Hüfte streife, fühlt sie sich warm an, allerdings nicht so warm wie die eines lebendigen Menschen. Sie kühlt von Minute zu Minute mehr ab.
    Ich öffne den Spind, eine Metallschublade, gefüllt mit einem Sammelsurium von Krimskrams. Zeichnungen, Gedichte, Familienfotos. Einige zeigen ein reizendes blondes kleines Mädchen, das mit zunehmendem Alter immer hübscher wird und sich schließlich in eine zu stark geschminkte Verführerin mit üppigen Kurven und toten Augen verwandelt. Das Foto von Jack Fielding, das ich Kathleen gestern gegeben habe, liegt bei den anderen, als gehöre er zur Familie. Ich finde noch ein paar Jugendbilder von ihm, vielleicht hat er sie ihr in den Anfangsjahren geschickt. Sie sind abgegriffen und an den Rändern eingerissen, als habe sie jemand häufig zur Hand genommen.
    Andere Tagebücher kann ich nicht entdecken, nur ein Heftchen mit Fünfzehn-Cent-Briefmarken und Briefpapier mit einem festlichen Dekor, das Karnevalsmützen und Luftballons darstellt. Es ist eine seltsame Wahl für eine Gefängnisinsassin und wurde vermutlich von jemandem gespendet, der darauf Einladungen zu einer Geburtstagsfeier verschickt hat. Aus dem Gefängnisladen stammt es ganz sicher nicht. Eine andere Möglichkeit ist, dass Kathleen es in der Zeit vor ihrer Haftstrafe gekauft hat. Das wäre auch eine Erklärung für die Fünfzehn- Cent-Briefmarken, auf denen ein Sandstrand mit einem gelb und rot gestreiften Sonnenschirm und einem strahlend blauen Himmel abgebildet ist, in dem eine Möwe schwebt.
    Es ist bestimmt mindestens zwanzig Jahre her, dass ich das letzte Mal fünfzehn Cent für eine Briefmarke bezahlt habe. Also hat Kathleen sie entweder aus einem bestimmten Grund aufbewahrt, oder sie sind ein Geschenk. Ich erinnere mich an Kathleens Klagen über die hohen Portokosten. Ursprünglich hat das Heftchen zwanzig Marken enthalten. Die oberen zehn fehlen. Ich nehme den dünnen Stapel weißes Kopierpapier vom Schreibtisch, halte ein Blatt hoch und kann keine Abdrücke erkennen, die durch das Beschriften einer darauf liegenden Seite entstanden sein könnten. Als Nächstes versuche ich es mit dem Party-Briefpapier und drehe es in verschiedene Richtungen, bis ich ziemlich tiefe und deutliche Abdrücke ausmache. Das Datum 27. Juni und die Anrede Liebe Tochter .
    »… Ja, weil ich genau in Erfahrung bringen möchte, was sie getan hat«, höre ich Colin vor der offenen Zellentür zu Tara Grimm sagen. »Man hat Ihnen berichtet, sie sei eine Stunde lang im Käfig umhergegangen. Die gesamte Stunde lang. Schön und gut, aber wie bereits erwähnt, muss ich es direkt von der anwesenden Aufseherin hören. Hat sie Wasser getrunken? Wie viel? Wie oft hat sie Pause gemacht? Hat sie über Schwindel und Muskelschwäche, Kopfschmerzen oder Übelkeit geklagt? Hat sie sonst irgendwelche Beschwerden geäußert?«
    »All diese Fragen habe ich ihr bereits gestellt und Ihnen die Antworten genau wiedergegeben«, ertönt Tara Grimms ruhige, melodische Stimme.
    »Tut mir leid, aber das genügt mir nicht. Ich muss Sie bitten, die Aufseherin zu holen oder uns zu ihr zu bringen. Ich möchte selbst mit ihr sprechen. Außerdem will ich mir den Käfig ansehen, in dem der Hofgang stattfindet. Es wäre schön, wenn wir das jetzt sofort erledigen könnten, damit ich die Leiche ohne weitere Verzögerung abtransportieren lassen kann …«
    Ich kann einige Wörter auf dem Briefpapier erkennen, allerdings nicht alle. Um den genauen Wortlaut des Briefes zu ermitteln, den Kathleen auf das Dekopapier geschrieben hat, sind bessere Lichtverhältnisse nötig, als sie bei einem mit Maschendraht abgedeckten Fenster und einer schummrigen, in die Decke eingelassenen Zellenbeleuchtung herrschen. Wahrscheinlich wird das Licht mit einem Zentralschalter im Kontrollraum an- und ausgemacht, um zu verhindern, dass Häftlinge ihre Zelle verdunkeln und das Wachpersonal aus dem Hinterhalt angreifen. Ich sehe die Abdrücke einer eleganten Handschrift, die mir inzwischen vertraut ist.
     
    Ich weiß … ein Scherz, richtig? … also dachte ich, ich teile … von PNG … passt irgendwie ins Bild … versucht, mich zu bestechen und zu überreden … Wie geht es Dir …
     
    PNG wie Persona non grata? Ein Mensch, der nicht willkommen ist? Während ich mich noch frage, wen Kathleen wohl meint, höre ich ein Rascheln. Marino kehrt in die Zelle zurück und stellt einen abgeschabten wasserdichten Hartschalenkoffer

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