Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
neben das Bett.
»Da ist bestimmt irgendwo eine Lupe drin«, sage ich, als er die strammen Schließen aufklappt. »Am besten eine mit zehnfacher Vergrößerung und LED. Die Beleuchtung hier drin ist nicht unbedingt das Wahre.«
Er fördert eine beleuchtete Lupe zutage. Nachdem ich sie eingeschaltet habe, untersuche ich sorgfältig Kathleen Lawlers blasse Hände. Die weichen, rosigen Handflächen, die Finger und die Fingerspitzen, die Hautfalten, das winzige Muster ihrer Fingerabdrücke und die bläulichen Venen sehen unter der Lupe zehnmal so groß aus. Ihre unlackierten Nägel sind leicht gerillt und sauber. Die wenigen weißen Fasern darunter können von ihrer Gefängniskleidung, dem Bettbezug oder den Bettlaken stammen. Unter dem rechten Daumennagel entdecke ich etwas Orangefarbenes.
»Könntest du mir eine kleine Pinzette und das Schmauchspuren- Testset holen? Falls Colin keines hat, frag Ermittler Chang«, bitte ich Marino, während ich die rechte Hand am zweiten Daumengelenk hochhalte. Der Körper kühlt ab, ist aber noch immer schlaffer als im Leben.
Marino kramt in der Ausrüstung herum. »Gefunden«, verkündet er.
Er legt mir die Pinzette in die nitrilverhüllte Handfläche wie eine OP-Schwester und reicht mir einen kleinen Metallpfropfen mit einer runden Scheibe aus selbstklebendem Karbonband darauf, mit dem man Schmauchspuren von Handflächen und Handrücken abnimmt. Ich weise ihn an, die Lupe über den Daumennagel zu halten, damit ich mit der Pinzette die weißen Fasern und die winzigen orangefarbenen pastenartigen Partikel herausholen kann, sammle sie mit dem klebrigen Pfropfen ein und verstaue diesen in einem kleinen Asservatenbeutel aus Plastik, den ich beschrifte und mit meinen Initialen abzeichne.
Dann kauere ich mich neben das Bett und betrachte die nackten Unterschenkel und Füße der Toten. Durch die Lupe betrachte ich eine Stelle am linken Fußrücken, wo sich einige hellrote Pusteln befinden.
»Vielleicht ist sie ja von etwas gestochen worden«, mutmaßt Marino.
»Für mich sieht es eher nach einer Verbrühung aus«, entgegne ich. »Verbrennungen ersten Grades, so als hätte sie sich eine heiße Flüssigkeit auf den Fuß getropft.«
»Wie hätte sie hier drin etwas heiß machen sollen?« Er beugt sich über die Leiche, um die fragliche Hautstelle zu begutachten. »Könnte es mit Wasser aus dem Waschbecken passiert sein?«
»Lass es mal laufen und probier es aus, aber ich bezweifle diese Möglichkeit.«
»Ist es in Ordnung, wenn ich das Wasser anmache?«
»Ich habe schon Proben vom Waschbecken genommen«, antwortet Chang von der Tür aus. »Also lassen Sie das Wasser ruhig laufen, damit Sie sehen, wie heiß es wird. Ob sie ein elektrisches Gerät hier drin gehabt hat?«, fügt er hinzu. »Vielleicht war es ja ein elektrischer Schlag.«
»Im Moment ist noch alles offen«, antworte ich.
»Ein Föhn oder eine Lockenschere. Jemand könnte ihr so etwas mitgebracht haben«, fährt Chang fort. »Das wäre zwar gegen die Vorschriften, aber auch eine Erklärung für den elektrischen Geruch.«
»Oder es ist ein batteriebetriebenes Gerät explodiert.« Marino stellt das Wasser an. »Wenn sich genügend Hitze aufstaut, kann alles, was eine Batterie hat, in die Luft gehen. Allerdings hätte sie in diesem Fall mehr abgekriegt als ein paar Pünktchen am Fuß. Bist du sicher, dass es keine Insektenstiche sind?« Er hält die Hand unter das laufende Wasser, um festzustellen, wie heiß es wird. »Denn das wäre logischer, weil sie erst draußen war und sich anschließend elend gefühlt hat. Mir ist so was schon öfter passiert. Eine verdammte Wespe kriecht mir in die Socke oder den Schuh und sticht, bis sie tot ist. Und einmal bin ich auf meiner Harley mit hundert Sachen in einen Bienenschwarm gefahren. Unter dem Helm gestochen zu werden, ist kein Spaß.«
»Ein kleines Ödem, minimale Schwellungen. Das sieht nach Verbrennungen aus, und zwar nach frischen, die sich auf die oberste Hautschicht beschränken. Ersten Grades oder vielleicht zweiten, wenn auch nur oberflächlich. Es hat sicher weh getan«, erkläre ich.
»Daran lag es auf gar keinen Fall.« Marino dreht das Wasser ab. »Das wird gar nicht richtig heiß, bestenfalls lauwarm.«
»Könntest du dich erkundigen, ob sie die Möglichkeit hatte, sich irgendwie den Fuß zu verbrennen?«
Er schiebt sich an Chang vorbei hinaus auf den Flur. »Doc Scarpetta möchte wissen, ob sie sich vielleicht verbrannt hat«, höre ich ihn sagen.
»Wer?«
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