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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Colins Stimme.
    »Kathleen Lawler. Jemand hätte ihr zum Beispiel eine Tasse kochend heißen Kaffee geben können, und sie hat ihn sich dann über den Fuß geschüttet.«
    »Warum?«, fragt Colin.
    »Unmöglich«, protestiert Tara Grimm. »In Einzelhaft haben die Insassinnen keinen Zugang zu Mikrowellen. In Haus Bravo gibt es keine Mikrowellen, außer natürlich in der Küche, und zu der hatte sie keinen Zutritt. Sie konnte also unmöglich in Kontakt mit etwas kommen, das heiß genug war, um Verbrennungen hervorzurufen.
    »Warum interessiert Sie das?« Colin erscheint in der Tür. Er hat den weißen Schutzanzug ausgezogen, schwitzt und macht keinen sehr glücklichen Eindruck.
    »Sie hat Verbrennungen am linken Fuß«, erkläre ich. »So als hätte sie sich mit Flüssigkeit bespritzt.«
    »Die schauen wir uns im Institut gründlicher an.« Er verschwindet wieder.
    »Hatte sie Socken und Schuhe an?«, frage ich ins Leere hinein.
    Tara Grimm kommt an die Zellentür.
    »Wir hätten ihr nie Schuhe und Socken ausgezogen. Vermutlich hat sie das nach dem Hofgang selbst getan. Wir haben nichts an ihr verändert«, erwidert sie.
    »Eine Socke und einen Schuh über eine Brandwunde zu ziehen, ist sicher nicht sehr angenehm«, merke ich an. »Hat sie beim Hofgang gehinkt oder über Schmerzen geklagt?«
    »Nur über die Hitze und dass sie müde sei.«
    »Ich überlege nur, ob sie sich nach der Rückkehr in ihre Zelle verbrannt hat. Hat sie nach dem Hofgang geduscht?«
    »Ich wiederhole es noch einmal: Nein, es ist nicht möglich«, leiert Tara. Ihr Tonfall ist unverhohlen feindselig. »Hier ist nichts, an dem sie sich hätte verbrennen können.«
    »Hatte sie vielleicht irgendwann im Laufe des Vormittags ein Elektrogerät in ihrer Zelle?«
    »Selbstverständlich nicht. In Haus Bravo sind die Zellen nicht mit Steckdosen ausgestattet. Sie konnte sich nicht verbrennen. Und wenn Sie noch so sehr darauf herumreiten, von mir werden Sie immer dasselbe zu hören bekommen.«
    »Nun, sie hat sich aber offenbar verbrannt. Am linken Fuß«, entgegne ich.
    »Mit Verbrennungen kenne ich mich nicht aus. Außerdem ist es völlig ausgeschlossen. Sie müssen sich irren.« Tara fixiert mich mit Blicken. »Hier gibt es nichts, um sich daran zu verbrennen «, beharrt sie. »Sicher sind es Moskitostiche.«
    »Es sind keine Stiche.«
    Ich taste Kathleens Kopf ab. Meine in violetten Handschuhen steckenden Hände gleiten über die Konturen ihres Schädels und ihren Hals entlang. Wie immer benutze ich meinen Tastsinn, um auch die winzigste Verletzung aufzuspüren, wie zum Beispiel einen Bruch oder eine schwammige, feuchte Stelle, die auf eine von den Haaren verdeckte Blutung hinweisen könnte. Die Tote ist warm, und ihr Kopf bewegt sich unter meiner Hand. Ihre Lippen sind leicht geöffnet, als schliefe sie und könnte jeden Moment die Augen aufschlagen und zu sprechen anfangen. Ich entdecke keine Verletzungen und auch sonst nichts Ungewöhnliches und bitte Marino um die Kamera und ein durchsichtiges, achtzehn Zentimeter langes Lineal.
    Dann fotografiere ich die Leiche, wobei ich mich hauptsächlich auf die Hand konzentriere, an der ich die orangefarbene Masse und die weißen Fasern unter den Fingernägeln sichergestellt habe. Nachdem ich auch Fotos von den Verbrennungen an ihrem nackten linken Fuß gemacht habe, stülpe ich eine braune Papiertüte darüber und auch eine über jede Hand und sichere sie an Handgelenken und Knöcheln mit Gummibändern, damit auf dem Transport in den Autopsiesaal nichts hinzugefügt wird oder verlorengeht. Inzwischen beobachtet Tara Grimm jede meiner Bewegungen, ohne einen Hehl daraus zu machen. Die Hände in die Hüften gestemmt, steht sie in der Tür, während ich mehr Fotos schieße, als ich brauche, und mir Zeit lasse, um sie zu provozieren.

23
    Colin öffnet die Hintertür des Coastal Regional Crime Laboratory, und wir treten in Hitze und gleißenden Sonnenschein hinaus. In der Ferne grollt Donner, und eine aufgewühlte dunkle Wolkenbank wälzt sich heran. Es ist kurz nach vier Uhr nachmittags. Ein böiger Südwestwind weht mit einer Geschwindigkeit von dreißig Knoten und macht Lucys Helikopter schwer zu schaffen, wie sie mir am Telefon mitteilt.
    »Wir mussten in Lumberton zwischenlanden und zum dritten Mal auftanken, nachdem wir schon in den Rocky Mountains wegen des starken Regens und der miesen Sicht eine Zwangspause gemacht hatten«, verkündet sie. »Grenzenlose Langweile über Wäldern und Schweinefarmen.

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