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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Ich weiß, was mir bevorsteht, schließlich bin ich nicht auf den Kopf gefallen. Die Hände in den Taschen meiner Cargohose, erinnere ich mich daran, wie sich Jaimes Schatten gestern Nacht hinter den geschlossenen Vorhängen dieses Zimmers bewegt hat.
    Marino und ich saßen in seinem Transporter unten auf der Straße, während ihre Umrisse hin und her glitten, als ginge sie nervös im Zimmer umher. Dann hat sie sich ausgezogen. Die Sachen, die sie bei unserem Besuch anhatte, liegen auf einem Stuhl neben der Kommode, achtlos hingeworfen, so wie man es tut, wenn man betrunken, aufgebracht oder in Eile ist oder sich nicht wohl fühlt. Danach hat sie den rotbraunen Bademantel angezogen, in dem sie später sterben sollte, und uns aus einem Fenster im Wohnzimmer nachgeblickt. Und ich wusste nichts. Ich hatte keine Ahnung, was vorgefallen war und welche Rolle ich vermutlich dabei gespielt habe.

26
    Ich wende mich vom Fenster ab. Jaime Berger liegt noch immer in derselben unnatürlichen Stellung da: über die Bettkante hängend wie auf einem Gemälde von Dalí.
    Ihre biologische Existenz ist vorbei. Fleisch und Blut werden bereits abgebaut wie eine Kulisse, wenn nach dem letzten Akt eines Dramas der Vorhang gefallen ist. Sie ist fort, und nichts kann sie zurückholen. Nun müssen wir uns mit ihren sterblichen Überresten befassen. Damit kenne ich mich aus, und ich will unbedingt helfen. Allerdings gibt es da einige Komplikationen.
    »Ich fasse nichts an und unternehme auch sonst nichts ohne Anweisung«, teile ich Officer Harley mit. »Dr. Dengate ist gerade vorgefahren. Doch Sie müssen bleiben, wo Sie sind. Falls ich einen anderen Teil der Wohnung betreten sollte, müssen Sie mich begleiten«, erinnere ich ihn noch einmal. »Ermittler Chang oder Sie dürfen mir nicht von der Seite weichen. Außerdem muss einer von Ihnen bereit sein, das nötigenfalls auch zu beschwören.«
    »Ja, Ma’am.« Er starrt mich an, als frage er sich, was ich alles anstellen werde, das eine Bewachung und das Ablegen von Eiden nötig machen könnte.
    »Ich war letzte Nacht hier. Nicht in diesem Zimmer, aber in der Wohnung, und bin vermutlich die Letzte, die sie lebend gesehen hat.«
    »Das mag ich an diesem Beruf.« Als er sich an den Türrahmen lehnt, scharrt sein Gürtel mit den Gerätschaften am Holz. »Man weiß nie, was kommt. Ich bin schon zu Einsätzen erschienen und habe festgestellt, dass ich das Opfer kannte. Vor kurzem ist ein Typ, mit dem ich auf der High School war, bei einem Motorradunfall gestorben. Das war wirklich schräg.«
    Wie gern würde ich ihre Leiche bewegen, sie zudecken und sie anders hinlegen, damit sie nicht, gebogen wie eine Haarnadel, Arme und Kopf über die Bettkante baumeln lässt. Gesicht und Hals sind dunkelviolett verfärbt, weil das Blut als Folge der Schwerkraft nach unten gesackt ist, nachdem der Kreislauf versagt hat. Ihre Lippen sind leicht geöffnet, die oberen Schneidezähne sind zu erkennen. Ein Auge ist geschossen, das andere steht einen Spaltbreit offen. Der Tod verhöhnt Jaime Bergers vollkommene Schönheit und macht sie auf obszöne und groteske Weise zu einem Zerrbild. Ich möchte nicht, dass Lucy sie so sieht. Nicht einmal auf einem Foto. Wieder fallen mir das umgekippte Glas und das leere Ladegerät des Telefons auf. Als ich mich auf den Boden knie, entdecke ich den Hörer ein paar Zentimeter unter dem Bett, als ob Jaime danach getastet und ihn dabei vom Nachttisch gestoßen hätte. Ich hebe ihn nicht auf, denn ich will nichts anfassen.
    »Ich war von kurz vor neun bis kurz vor eins gestern Abend im Wohnzimmer und in der Küche«, teile ich Officer Harley mit. »Bevor ich ging, war ich auch noch im Gäste-WC. Während ich hier war, habe ich einige Dinge berührt. Papiere. Küchenutensilien. Ich werde Ermittler Chang darauf hinweisen.«
    »Also sind Sie aus Boston hergekommen, um sich mit ihr zu treffen.«
    »Nein, ich bin aus einem anderen Grund in Savannah. Und da ich schon einmal hier war, wollte sie mich sehen.« Mehr werde ich einem gewöhnlichen Streifenbeamten, der die Ermittlungen nicht leiten wird, keinesfalls verraten. »Uns verbindet eine lange, ziemlich komplizierte Vergangenheit, die ich dem zuständigen Ermittler gern schildern werde, wenn es so weit ist. Bis dahin bleiben Sie einfach in meiner Nähe, damit ich für alles einen Zeugen habe.«
    »Klar. Sie können natürlich auch draußen warten, wenn Sie …«
    »Jetzt bin ich schon einmal in der Wohnung und möchte helfen, wo ich

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