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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wirkt?«, gibt Benton zurück. »An wem testet man sein Gift, um sicherzugehen, dass es auch klappt? Ein Selbstversuch scheidet ja aus offensichtlichen Gründen aus.«
    Häftlinge lassen sich gut als Versuchskaninchen missbrauchen, eine Möglichkeit, die mir schon den ganzen Abend im Kopf herumgeistert. Und eine Gefängnisdirektorin könnte bereit sein, das in bestimmten Fällen zu gestatten, wenn sie ein Mensch ist, der gern Kontrolle ausübt und gottgleich Strafen verhängt, wie es auf Tara Grimm zuzutreffen scheint. Ich erinnere mich an ihren harten Augenausdruck gestern in ihrem Büro, den sie selbst hinter ihrem Südstaatencharme nicht verstecken konnte. Daran, wie zuwider ihr die Vorstellung war, dass eine durch einen Justizirrtum zum Tode verurteilte Frau freikommen könnte, oder dass durch eine Abmachung möglicherweise Kathleen Lawlers vorzeitige Entlassung bevorstünde. Es besteht kein Zweifel daran, dass Jaime Bergers Einmischung Tara sauer aufgestoßen ist. Es hat sie gewurmt, dass sie sich für die Gefangenen verwendet und sich über die Wünsche der ehrenwerten Frau Direktorin hinweggesetzt hat, immerhin Tochter eines ebenfalls angesehenen Gefängnisdirektors und Erbauers dieser Haftanstalt, die sie als ihr rechtmäßiges Erbe betrachtet.
    Inzwischen finde ich es höchst unwahrscheinlich, dass Tara Grimm nichts von dem Kassiber ahnte, den Kathleen mir zugesteckt hat. Sie hielt es nur nicht für nötig, dagegen einzuschreiten, sondern hat mein Treffen mit Jaime sogar als Wink des Schicksals gesehen. Es war eine ausgezeichnete Gelegenheit, mir jemanden mit einer Tüte zu schicken, die vermutlich eine hohe Dosis Botulinumtoxin-A, entweder im Sushi oder im Seetangsalat, enthielt. Tara war seit knapp zwei Wochen über meinen geplanten Besuch in ihrer Einrichtung im Bilde. Und die Frau mit der Sushitüte wiederum wusste, dass ich zu Jaime wollte. Vielleicht hat diese Person mir ja, wie Lucy annimmt, auf dem dunklen Platz aufgelauert. Und dann hat sie möglicherweise die ganze Nacht und bis in den Morgen hinein gewartet und beobachtet, wie die Silhouette ihres Opfers an den Fenstern vorbeiging. Sie hat gelauert, bis die Lichter gelöscht und wieder eingeschaltet wurden. Bis der Tod zuschlug.
    Menschen wurden beschattet, verfolgt, ausspioniert und wie Marionetten behandelt. Die Täterin ist schlau und gewissenhaft, eine Giftmörderin, geduldig, akkurat und kalt wie Trockeneis. Ich kann mir keine hilflosere Bevölkerungsgruppe vorstellen als Häftlinge, die gefangen sind wie Ratten in einem Versuchslabor, insbesondere wenn ein Mitarbeiter der Strafanstalt mit der Person unter einer Decke steckt, die diese grausamen Experimente betreibt. So kann sie ausprobieren, was wirkt und was nicht, und sich so monate- oder gar jahrelang in aller Seelenruhe und mit Liebe zum Detail auf den großen Schlag vorbereiten.
    Barrie Lou Rivers starb plötzlich, während sie auf ihre Hinrichtung wartete. Rea Abernathy wurde, tot über der Toilette zusammengesackt, in ihrer Zelle aufgefunden. Und Shania Plames hat sich, angeblich in selbstmörderischer Absicht, mit der Hose ihrer Gefängniskleidung stranguliert. Dann Kathleen Lawler und Dawn Kincaid. Und jetzt Jaime Berger. Alle diese Todesfälle weisen beängstigende Gemeinsamkeiten auf. Bei der Autopsie wird nichts festgestellt. Eine Diagnose findet nach dem Ausschlussverfahren statt. Und da es, zumindest bei den früheren Fällen, keinen Grund gab, von einem Giftmord auszugehen, wurden nur die standardmäßigen toxikologischen Untersuchungen durchgeführt.
    Inzwischen ist es fast zwei Uhr morgens. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich General John Briggs zum letzten Mal um diese Uhrzeit angerufen habe. Um jemanden so rücksichtslos zu stören, brauche ich einen sehr guten Grund und wasserdichte Beweise. Lucy legt weitere Ausdrucke auf meinen Stapel, den ich mit ins Schlafzimmer nehme, wo ich die Tür hinter mir schließe. Ich stelle mir vor, wie Briggs dort, wo er gerade schläft oder arbeitet, sein Mobiltelefon aufklappt. Vielleicht ist es auf dem Luftwaffenstützpunkt in Dover, Delaware, der Zentrale des Armed Forces Medical Examiner, des rechtsmedizinischen Instituts, wo unsere Kriegstoten eingeliefert und nach einer ausführlichen forensischen Untersuchung in aller Würde in ihre Heimatstädte überführt werden. Vielleicht ist er auch in Pakistan, Afghanistan oder Afrika. In der Raumstation MIR vermute ich ihn eher nicht, obwohl wir uns das manchmal, und das nur halb im

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