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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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fügt sie ärgerlich hinzu. »E-Mails sind kostenlos und werden sofort verschickt. Ich bin nicht darauf angewiesen, dass andere Menschen mir Briefpapier und Marken schenken, Reste und altes Zeug, Mist, den die Leute nicht mehr brauchen und für den wir auch noch dankbar sein sollen.«
    Benton und seine Kollegen beim FBI haben mehr als zehn Jahre alte Mails gelesen, die mir als anzüglich, pubertär und stark mit Obszönitäten durchsetzt geschildert wurden. Das finde ich nicht so schwer nachzuvollziehen, wie man meinen möchte. Wahrscheinlich war Kathleen Jacks erste Liebe. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung wegen sexuellen Missbrauchs hat er vermutlich für sie geschwärmt. Und im Lauf der Jahre haben die beschädigten Seelen per Brief oder E-Mail kommuniziert, bis der Schriftwechsel irgendwann abbrach. Sonst wurden keine Hinweise darauf entdeckt, dass Jack nach unserem Wegzug aus Virginia weiter an Kathleen geschrieben hat. Allerdings bedeutet das nicht, dass er keinen Kontakt zu seiner leiblichen Tochter Dawn Kincaid hatte. Er muss sogar in Verbindung zu ihr gestanden haben, die Frage ist nur, seit wann genau. Vielleicht seit fünf Jahren, falls sie es war, die ihn fotografiert hat.
    »Die Post ist so verdammt langsam«, setzt Kathleen ihre Litanei fort. »Ich schicke einen Brief, jemand draußen antwortet, und ich sitze tagelang wartend in meiner Zelle. E-Mails kommen sofort an, doch in Haus Bravo ist Internetzugang nicht gestattet«, beschwert sie sich. »Und ich darf nicht zu meinen Hunden. Ich kann weder Hunde ausbilden noch einen Windhund in meiner Zelle halten. Ich war gerade dabei, Trail Blazer zu trainieren, und jetzt kann ich nicht zu ihm.« Ihre Stimme klingt belegt. »Ich bin so an die Gesellschaft meiner wunderbaren Hunde gewöhnt, und nun sitze ich hier in Einzelhaft. Und bei Inklings darf ich auch nicht mehr mitarbeiten. Die haben mir alles weggenommen, an das ich gewöhnt war.«
    » Inklings , Tintenkleckser?«, frage ich.
    »Die Gefängniszeitung. Ich bin die Chefredakteurin«, erwidert sie. »Zumindest war ich das«, fügt sie zornig hinzu.

5
    » Inklings wie bei Tolkien und C. S. Lewis, der Name ihrer Gruppe«, erklärt Kathleen. »Sie haben sich in einem Pub in Oxford getroffen und über Kunst und Philosophie gesprochen. Nicht dass ich oft Gelegenheit hätte, über Kunst und Philosophie zu sprechen. Das interessiert die meisten Frauen hier einen Scheiß. Die wollen sich nur selbst darstellen, ihren Namen gedruckt sehen, sich Aufmerksamkeit verschaffen und sich feiern lassen. Alles, um der Langeweile zu entfliehen und ein wenig Hoffnung zu haben, dass doch noch etwas aus einem werden könnte.«
    »Ist Inklings die einzige Zeitschrift hier?«, frage ich.
    »Eine andere gibt es nicht.« Ihr Stolz ist nicht zu übersehen, allerdings nicht auf mögliche literarische Erfolge. Es geht um Macht. »Ich habe für diese Zeitschrift gelebt. Direktorin Grimm ist großzügig, so lange man sich an die Regeln hält. Sie war wirklich gut zu mir. Aber ich will nicht zu meinem eigenen Schutz in Einzelhaft sitzen, und es ist auch völlig überflüssig. Sie soll mich wieder zurückverlegen«, verkündet sie, als ob Tara Grimm zuhören würde.
    Kathleen hat im Gefängnis eine Machtposition inne. Oder vielmehr hatte. Sie konnte entscheiden, wer anerkannt und wer verachtet wurde, wer unter den Insassinnen Prominenz genoss und wer in der Versenkung verschwand. Ich überlege, ob das vielleicht der Grund ist, warum einige Gefangene einen Groll gegen sie hegen, einmal angenommen, dass man mir die Wahrheit gesagt hat. Was mag wohl der wahre Grund für die Verlegung gewesen sein? Ich denke an das, was Tara Grimm mir über die am 6. Januar 2002 in Savannah ermordete Familie und Jaime Bergers kürzlichen Besuch in Haus Bravo erzählt hat.
    »Auf dem College habe ich Anglistik studiert und wollte eigentlich hauptberuflich Gedichte schreiben, doch stattdessen habe ich zur Sozialpädagogik gewechselt und darin meinen Master gemacht«, teilt Kathleen mir mit. » Inklings war meine Idee. Direktorin Grimm hat mir die Erlaubnis gegeben.«
    Im Januar 2002 war Dawn Kincaid in Savannah und ist Kathleen zum ersten Mal begegnet. Das behauptet Kathleen wenigstens. Möglicherweise war Dawn ja auch in der Stadt, als der Arzt und seine Familie getötet wurden. Zerhackt und verstümmelt, eine Form der Gewalt, die Benton als persönlich, unmittelbar und häufig von einer sexuellen Komponente begleitet bezeichnet. Der körperliche Akt, mit einem

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