Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
Kohlenmonoxid und Nikotin das Herz belasten, ein Faktor, der durch eine Herzkrankheit und verengte Arterien noch verstärkt wird. Deshalb predige ich dir ja auch immer wieder, dass du nicht rauchen sollst.« Wenn ich mit einer Seite fertig bin, schiebe ich sie zu Marino hinüber. »Ihr Herz hat wegen des psychischen Drucks ohnehin schon heftiger geschlagen als sonst. Zigarettenrauch hätte diesen Effekt noch gesteigert.«
»Also hatte sie vielleicht deshalb einen Herzinfarkt«, beharrt er.
»Eine oder mehrere Zigaretten hätten etwas dazu beitragen können, vorausgesetzt, jemand hat ihr welche gegeben, während sie auf ihre Hinrichtung wartete«, merke ich an. Dabei lese ich einen Bericht über das Liberty Halfway House, ein offenes, gemeinnütziges Übergangswohnheim mit Therapieangeboten für Mädchen in der East Liberty Street, nur wenige Häuserblocks vom Friedhof Colonial Park Cemetery entfernt. Also einen Katzensprung vom Haus der Jordans. Zu Fuß braucht man schätzungsweise eine Viertelstunde.
Am Morgen des 6. Januar, etwa gegen Viertel vor sieben, machte eine ehrenamtliche medizinische Mitarbeiterin ihre Runde durch den Wohnbereich, um Urinproben für einen unangemeldeten Drogentest einzusammeln. Als die Frau an Lola Daggettes Tür klopfte, reagierte niemand. Die Mitarbeiterin trat ein und hörte Wasser rauschen. Die Badezimmertür war geschlossen. Die Mitarbeiterin klopfte wieder und rief Lolas Namen, allerdings ohne Ergebnis. Da sie sich Sorgen machte, ging sie hinein.
Sie entdeckte Lola nackt auf dem Boden der Duschkabine. Das heiße Wasser lief. Die Mitarbeiterin sagte aus, Lola sei verängstigt und aufgebracht gewesen und habe versucht, mit Shampoo Kleidungsstücke auszuwaschen, die stark mit Blut verschmiert gewesen seien. Auf die Frage der Mitarbeiterin, ob sie sich verletzt habe, antwortete Lola mit nein und verlangte, allein gelassen zu werden. Sie behauptete, ihre Wäsche zu waschen, weil sie keinen Zugang zu einer Waschmaschine habe. Die Mitarbeiterin solle »den Scheißbecher aufs Waschbecken stellen, ich pisse gleich rein«.
Daraufhin schaltete die Mitarbeiterin laut Protokoll das heiße Wasser ab und wies Lola an, aus der Dusche zu kommen. Auf dem Fliesenboden lagen »eine braune Cordhose, Damengröße 38, ein blauer Rollkragenpulli, Damengröße 38, und eine dunkelrote Windjacke, Größe M, mit dem Emblem der Atlanta Braves. Alle Kleidungsstücke waren voller Blut, und das Wasser auf dem Boden der Dusche war von all dem Blut dunkelrosa«, sagte die Mitarbeiterin aus. Als sie Lola fragte, wessen Sachen das seien, erwiderte sie, das habe sie »bei der Einweisung« vor ein paar Wochen getragen, ehe man ihr eine Uniform gegeben habe. »Das hatte ich auf der Straße an, und seitdem war es in meinem Schrank«, erklärte Lola der Mitarbeiterin.
Auf die Frage, wie das Blut an ihre Kleidung geraten sei, antwortete Lola zunächst, sie wisse es nicht. Dann behauptete sie: »Ich habe meine Tage«, und gab vor, dass ihr im Schlaf ein Missgeschick geschehen sei, berichtete die Mitarbeiterin. »Ich hatte den starken Eindruck, dass sie einfach ins Blaue hinein fabulierte. Doch dafür war Lola im Wohnheim bekannt. Sie sagte stets, was das Gegenüber hören wollte, um sich Schwierigkeiten zu ersparen. Lola ist zu allem bereit, um Aufmerksamkeit zu erregen, Strafen aus dem Weg zu gehen oder sich Vorteile zu verschaffen. Die Wahrnehmung anderer oder mögliche Konsequenzen scheinen sie nicht zu kümmern.
Leider ist sie jemand, der ständig falschen Alarm schlägt, und dass das Blut nicht von ihrer Periode stammte, hätte offensichtlicher nicht sein können«, sagte die Mitarbeiterin bei der Anhörung unter Eid aus. »Wie soll Menstruationsblut an die Oberschenkelpartie, die Knie und die Säume einer Hose und auf die Oberseite und Ärmel eines Pullis und einer Jacke kommen? Der Großteil war noch nicht abgewaschen worden, weil es so viel war. Mein erster Gedanke war, dass da jemand einen Blutsturz gehabt haben musste, natürlich vorausgesetzt, dass es sich um Menschenblut handelte.
Ich habe auch nicht verstanden, warum Lola in Straßenkleidung geschlafen hat, die unsere Zöglinge ohnehin im Haus nicht tragen dürfen«, beendete die Mitarbeiterin ihre Aussage, die dazu betragen würde, Lola das Genick zu brechen. »Die Bewohnerinnen haben die Sachen bei ihrer Ankunft und bei ihrer Entlassung an, und dass Lola voll angezogen zu Bett gegangen sein will, ergibt einfach keinen Sinn. Alles klang für mich
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