Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
sein.«
»Das ist im Moment nicht nötig. Ich gebe Ihnen Bescheid, nachdem ich die Unterlagen gesichtet habe.«
»Falls Sie sich die originalen Objektträger anschauen wollen, kann ich Ihnen auch ein Mikroskop besorgen. Mandy wird sich darum kümmern. Mandy O’Toole, die Ihnen Gesellschaft leisten wird. Wir können auch neue Proben nehmen und eine zweite Serie von Objektträgern anfertigen, denn ich habe die Gewebeteile natürlich noch. Allerdings würden wir in diesem Fall neue Beweisstücke schaffen. Jedenfalls möchte ich, dass alle Ihre Fragen beantwortet werden.«
»Am besten mache ich mir zuerst ein Bild.«
»Die Kleidungsstücke werden an verschiedenen Orten aufbewahrt. Doch der Großteil liegt in unseren Labors. Ich gebe die Dinge nur ungern aus der Hand.
»Das kann ich mir denken.«
»Sie beide kennen sich vermutlich noch nicht«, sagt er. In der Tür des Konferenzraums steht eine Frau in blauem OP-Anzug und weißem Kittel.
Mandy O’Toole macht einen Schritt auf mich zu und schüttelt mir die Hand. Ich schätze sie auf Anfang vierzig. Sie ist groß und langbeinig und trägt ihr langes schwarzes Haar zurückgebunden. Ihre Attraktivität ist nicht alltäglich, denn ihre Gesichtszüge sind asymmetrisch und ihre Augen kobaltblau, was sie gleichzeitig verstörend und anziehend wirken lässt. Colin salutiert mit dem Zeigefinger und lässt mich mit ihr in einem verhältnismäßig kleinen Raum mit einem Tisch aus Kirschholz und acht schwarzen Lederstühlen mit gesteppten Sitzflächen zurück. Fenster mit ungewöhnlich dicken Scheiben in stabilen Aluminiumrahmen blicken auf den von einem hohen Maschendrahtzaun umgebenen Parkplatz hinaus. Dahinter erstreckt sich ein dunkelgrüner Nadelwald endlos bis in den fahlen Himmel hinein.
17
»Ist Jaime Berger nicht dabei?« Mandy O’Toole setzt sich ans Ende des Tisches, wo sich eine Flasche Vitaminwasser und ein BlackBerry mit Ohrhörer befinden.
»Ich glaube, sie kommt später noch«, antworte ich.
»Tja, bei der fehlt der Knopf zum Ausschalten, was in ihrem Job vermutlich ein Vorteil ist. Schließlich ist jeder ein möglicher Gegner.« Colins Assistentin spricht über Jaime, als ob ich sie darum gebeten hätte.
»Als sie vor ein paar Wochen hier war, bin ich ihr auf der Toilette begegnet. Ich wasche mir gerade die Hände, da fängt sie an, über Barrie Lou Rivers’ Adrenalinspiegel zu reden. Ob mir histologisch etwas aufgefallen sei, das auf einen Adrenalinstoß, also auf Stress und Panik, hinweisen würde, als sei sie in der Nacht ihrer Hinrichtung misshandelt worden. Und ich sagte, an einem histologischen Befund könne man so etwas nicht erkennen, weil man Adrenalin unter dem Mikroskop nicht sieht. Dazu müsste man eine gesonderte biochemische Untersuchung durchführen.«
»Die, wie ich Colin kenne, sicher angeordnet wurde«, merke ich an.
»Genau, da ist er immer sehr gründlich. Er übergeht nichts. Blut, Rückenmarksflüssigkeit. Wahrscheinlich war es dieses Laborergebnis, auf das Ms. Berger gestoßen sein könnte. Barrie Lou Rivers hatte einen leicht erhöhten Adrenalinspiegel. Doch die Leute neigen dazu, voreilige Schlussfolgerungen aus so etwas zu ziehen, meinen Sie nicht?«
»Die Leute interpretieren gern alles Mögliche in einen Befund hinein, der nicht unbedingt das Ergebnis liefert, das sie gern hätten«, erwidere ich.
»Nun, bei einem Herzinfarkt oder einem Erstickungsanfall gerät der Betroffene ganz sicher in Panik und schüttet vor dem Tod vermehrt Adrenalin aus«, entgegnet sie und blickt mich aus blauen Augen unverwandt an. »Wenn ich am Ersticken wäre, würde ich ganz bestimmt jede Menge Adrenalin ausstoßen. Nichts versetzt einen Menschen mehr in Todesangst, als wenn er keine Luft mehr kriegt. Eine entsetzliche Vorstellung.«
»Stimmt.«
Wieder frage ich mich, was Jaime Berger wohl über mich erzählt haben mag. Sie hat Colin mitgeteilt, dass ich gestern Kathleen Lawler im GPFW besucht habe. Was noch? Warum mustert Mandy O’Toole mich so forschend?
»Ich habe mir oft Ihre Sendung bei CNN angesehen«, verkündet sie, eine Erklärung für den Grund ihres Interesses. »Schade, dass Sie aufgehört haben, denn ich fand sie wirklich gut. Endlich mal jemand, der sachlich mit dem Thema Forensik umging, ganz im Gegenteil zu vielen anderen Sendungen mit ihrer billigen Sensationsmache. Es war sicher toll, eine eigene Sendung zu haben. Falls Sie jemals wieder einsteigen und jemanden brauchen, der über Histologie spricht …«
»Das ist
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