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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Doch anstatt mit offenen Karten zu spielen, hat sie mich angelogen und an der Nase herumgeführt und so lange ihre Fäden gezogen, bis ich heute hier auf diesem Stuhl saß. Je länger ich die Ereignisse Revue passieren lasse, desto sicherer bin ich, dass ich abgelehnt hätte. Ich hätte sie an einen Kollegen verwiesen, und zwar nicht, weil ich mich vor Colins Reaktion gefürchtet hätte, wenn ich seine Befunde überprüfe und ihnen möglicherweise sogar widerspreche. Ich hätte mir eher Sorgen um Lucy gemacht und das Gefühl gehabt, dass eine Zusammenarbeit mit Jaime durch unangenehme Ereignisse in der Vergangenheit belastet sein könnte. Jedenfalls war es aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Gründe keine gute Idee.
    »Nun, falls sich jemand Lolas Kleider geborgt hat, um darin mehrere Morde zu verüben, stellt sich die Frage, warum die DNA dieser Person nicht an Hose, Pulli und Windjacke gefunden wurde.« So bestätigt mir Marino, dass man weder Dawn Kincaids DNA noch die eines anderen Menschen an Lolas Kleidung sichergestellt hat.
    »Wenn wir von Schweiß und Hautzellen reden, hätten die durch das Waschen mit heißem Seifenwasser vernichtet werden können. Blut vielleicht nicht, doch das hängt von der Menge ab. Bei einer kleinen Menge, zum Beispiel, wenn man von einem Kind gekratzt wird, wäre das Blut vielleicht in der Dusche abgespült worden«, überlege ich laut. »Insbesondere Anfang 2002, als die Tests noch nicht so empfindlich waren wie heute. Hat sich jemand Lola Daggettes Schuhe angeschaut?«
    »Welche Schuhe meinst du?«
    »Sie muss doch Schuhe besessen haben. Wurden die auch vom Liberty House ausgegeben?«
    »Ich glaube nicht, dass die Zöglinge Schuhe bekommen haben. Nur Jeans und Jeanshemden. Aber sicher bin ich nicht«, antwortet Marino. »Kann mich nicht erinnern, dass jemand Schuhe erwähnt hat.«
    »Man hätte ihre Schuhe auf Blutspuren untersuchen sollen. Ich lese hier keinen Hinweis darauf, dass Lola in der Dusche blutige Schuhe gereinigt hat. Und auch keine Unterwäsche. Wenn die Oberbekleidung mit Blut durchtränkt ist, sickert es auf Unterhose, BH und Socken durch. Aber sie hat nur Hose, Pulli und Jacke gewaschen.«
    »Du und dein Schuhtick«, entgegnet Marino.
    »Sie sind wichtig.«
    Schuhe verraten mir, wo sich die Füße einer Person zum Zeitpunkt eines Ereignisses mit Todesfolge befunden haben. An einem Tatort. Auf der Bremse oder dem Gaspedal. Auf einem staubigen Fensterbrett oder einem Balkon, bevor der Betreffende hinuntergestoßen wurde oder gestürzt ist. Auf der Leiche des totgetrampelten Opfers. In einem meiner Fälle sogar im feuchten Beton, weil der Mörder durch eine Baustelle geflüchtet war. Schuhe, Stiefel, Sandalen, ja alle Arten von Fußbekleidungen weisen auf den Gang ihres Trägers hin, haben typische Abnutzungserscheinungen, hinterlassen Spuren und nehmen welche mit.
    »Wer die Jordans umgebracht hat, muss Blut an den Schuhen gehabt haben«, verkünde ich. »Selbst wenn es nur winzige Rückstände waren, muss da welches gewesen sein.«
    »Wie ich schon sagte, weiß ich nichts von Schuhen.«
    »Falls Colin sie nicht zusammen mit den anderen Beweisstücken im Labor hatte, ist es jetzt zu spät«, erwiderte ich, während ich die Fotos durchschaue, die Lola Daggettes Gnadengesuch vom vergangenen Herbst beiliegen.
    Die ersten Seiten zeigen Porträts und Schnappschüsse, die die Opfer als Menschen darstellen und die Absicht verfolgen, Zebulon Manfred, den Gouverneur von Georgia, der Lolas Gnadengesuch schließlich abgelehnt hat, in Empörung zu versetzen. Laut dem fotokopierten Zeitungsartikel, der dem Protokoll beiliegt, stützen sich die Bemühungen, Lolas Leben zu retten, seiner Ansicht nach auf Argumente, die von den Geschworenen und dem Appellationsgericht bereits gehört und abgewiesen wurden. »Wir können bis zum Sankt-Nimmerleins- Tag über diesen herzlosen Akt menschlicher Verkommenheit nachgrübeln«, äußerte er sich in einer öffentlichen Verlautbarung. »Es läuft immer wieder darauf hinaus, dass Lola Daggette eine Gräueltat verübt und aus reinem Mutwillen am frühen Sonntagmorgen des 6. Januar eine ganze Familie ausgelöscht hat. Sie hat es getan. Und zwar ohne ein erkennbares Motiv, sondern einfach nur aus einer Laune heraus.«
    Ich kann mir die Entrüstung des Gouverneurs beim Anblick der Studioaufnahme vorstellen, die während der letzten Weihnachtsferien, nur wenige Wochen vor dem grausamen Tod der Familie, entstanden ist. Clarence Jordan mit seinem

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