Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
unlogisch, und als ich ihr das mitgeteilt habe, hat sie ihre Geschichte geändert.
Sie behauptete plötzlich, sie habe die blutigen Kleider in einer Plastiktüte in ihrem Bad gefunden. Später überlegte sie es sich noch einmal anders und meinte, da sei gar keine Tüte gewesen. Sie sei aufgestanden, um auf die Toilette zu gehen, und da hätten die Kleider auf dem Badezimmerfußboden gelegen. Und zwar links neben der Tür. Ich habe sie gefragt, ob das Blut feucht oder angetrocknet gewesen sei, und sie antwortete, an manchen Stellen hätte es sich klebrig, an anderen trocken angefühlt. Angeblich habe sie keine Ahnung, wie die blutigen Sachen dorthin geraten sein könnten. Doch sie habe es mit der Angst zu tun bekommen und versucht, sie zu waschen, weil sie keinen Ärger habe kriegen wollen.«
Die Mitarbeiterin wies Lola darauf hin, ihre Version der Dinge bedeute, dass jemand ihre Kleider aus dem Schrank geholt, sie irgendwie mit Blut beschmiert haben und dann, während sie schlief, zurückgekehrt sein müsse, um sie im Bad zu deponieren. Wer sollte so etwas tun, und warum sei Lola nicht aufgewacht? Die Person, die dafür verantwortlich sei, »ist absolut lautlos und ein Teufel«, antwortete Lola laut Aussage der Mitarbeiterin. »Es ist die Rache für etwas, das ich getan habe, bevor ich in diesen Laden hier gesteckt wurde. Vielleicht jemand, von dem ich früher Drogen gekauft habe, keine Ahnung «, beharrte sie. Dann wurde sie zornig und begann herumzuschreien.
»Das dürfen Sie keinem erzählen! Schmeißen Sie den Scheiß doch einfach weg, aber halten Sie den Mund! Ich will nicht in den Knast! Ich schwöre, ich habe nichts gemacht, bei Gott, ich schwöre!«, berichtete die Mitarbeiterin. Und je länger ich weiterlese, desto klarer wird mir, warum damals alle Lola Daggette für die einzige Verdächtige hielten.
18
Marino würdigt die Papiere, die ich zu ihm hinüberschiebe, kaum eines Blickes und behandelt sie so gleichmütig und desinteressiert, dass in mir der Verdacht wächst, er könnte sie bereits kennen.
»Hast du dieses Protokoll schon gelesen?«, frage ich ihn.
»Jaime hat es in ihren Akten. Aber sie hat es nicht von ihm.« Damit meint er Colin Dengate.
»Ich habe nicht damit gerechnet, dass er es herausrückt, weil es nicht von ihm selbst erstellt worden ist. Also hätte sie sich an den Obersten Gerichtshof von Chatham County wenden müssen.«
»Sie ist davon ausgegangen, dass er dir alles zeigt.«
»Offenbar lag sie damit richtig. Allerdings ist das, was ich bis jetzt gesehen habe, nicht sehr hilfreich für sie.«
»Stimmt«, erwidert er. »Eine bessere Schuldige als Lola Daggette gibt es gar nicht. Kein Wunder, dass sie verurteilt wurde. Das sieht ja ein Blinder.«
»Die Sache mit den Uniformen finde ich rätselhaft«, wende ich ein. »Jaime hat erwähnt, Lola hätte im Liberty House ein und aus gehen können, um sich bei Arbeitgebern vorzustellen und ihre Großmutter im Pflegeheim zu besuchen. Sie hat, wie ich annehme, vollständige Bewegungsfreiheit genossen, solange sie um Erlaubnis fragte und abends beim Bettenappell anwesend war. Was hat sie denn draußen angehabt?«
»Ich habe es so verstanden, dass die Uniformen wie gewöhnliche Straßenkleidung aussahen, also Jeans und ein Jeanshemd. So waren die Zöglinge – sie nannten sie tatsächlich so – immer angezogen.«
»Du sprichst in der Vergangenheitsform.« Ich trinke einen Schluck aus der Wasserflasche. Weil meine schwarze Arbeitskleidung durchgeschwitzt ist, lässt mich die Klimaanlage frösteln.
»Der Fall Lola Daggette war geschäftsschädigend, insbesondere für eine Einrichtung, die auf private Spenden angewiesen ist«, erklärt Marino. »Die reichen Leute von Savannah waren nach den Morden an Clarence Jordan und seiner Familie nicht unbedingt scharf darauf, weiter Schecks auf das Liberty House auszustellen. Vor allem deshalb, weil der Ermordete dafür bekannt war, dass er sich ehrenamtlich in Obdachlosenunterkünften und Kliniken engagierte und Menschen in Not half. Menschen, die mittellos waren und sich einen Arztbesuch nicht leisten konnten.«
»Hat er je im Liberty House ausgeholfen?« Ich stehe auf, um die Raumtemperatur zu regeln.
»Nicht soweit ich weiß.«
»Wie ich annehme, gibt es das Liberty House nicht mehr. Sag mir Bescheid, wenn es dir hier drin zu warm wird.« Als ich mich setze, stelle ich fest, dass Mandy O’Toole uns inzwischen ignoriert oder zumindest so tut.
»Heute ist es eine Unterkunft für obdachlose
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