Blut für Blut: Thriller (German Edition)
länger als eine Stunde unterwegs. Rebekka saß hinter dem Steuer, während Niclas ihr mithilfe des GPS seines iPhone den Weg wies.
»Verdammt, wie ich diese Dinger hasse. Die monotone Stimme macht einen ganz dösig.« Niclas tat, als wollte er das iPhone aus dem Fenster werfen, und Rebekka lachte.
»Mir ist inzwischen klar, dass du nicht gerade der große Techniker bist. Aber keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle.«
Sie schaute zu ihm hinüber, und er drehte ihr den Kopf zu und lächelte.
»Konzentrier du dich aufs Fahren, Rebekka. Du musst hier links nach Höör.« Sie waren fast an der Abzweigung vorbei, und Rebekka nahm eine scharfe Kurve.
»Gut gemacht.« Er nickte ihr anerkennend zu, und sie spürte seine Augen auf sich. Sie biss sich hart auf die Lippe. Die Fahrt nach Tjörnap könnte sich durchaus als Sackgasse erweisen. Würde Thomas, alle Umstände in Betracht gezogen, nicht eher weiter weg als in das Sommerhaus der Familie flüchten? Andererseits wussten sie nicht mit Sicherheit, ob er sich überhaupt darüber im Klaren war, dass die Polizei ihm auf der Spur war. Vermutlich hatte er keine Ahnung, dass Sejr Brask ein Mikrofon und ein Tonbandgerät bei sich gehabt hatte, und es konnte durchaus sein, dass er glaubte, Zeit genug zu haben, seine weitere Flucht zu planen.
»Was wissen wir über den Ort?«, fragte Niclas, und sie zuckte mit den Schultern.
»Es soll sich um einen alten Bauernhof mit einem Haupthaus und ein paar kleineren Nebenhäusern handeln. Er liegt ein ganzes Stück im Wald, auf einer Lichtung zu einem großen See hinunter, wahrscheinlich dem Tjörnapssjön. Ich war natürlich nie da, ich kenne den Ort nur von den Fotos aus Marie-Louises Fotoalbum. Wir rufen Verstärkung, wenn wir ankommen?«
Niclas nickte ernst, dann war ein Klicken zu hören. Er hatte das Magazin herausgenommen und füllte es mit Patronen auf.
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»Sejr Brask. Mein Name ist Ghita. Ich bin Krankenschwester hier in der neurochirurgischen Abteilung. Können Sie mich hören?«
Die helle Stimme vibrierte leicht neben seinem Ohr, war viel zu nahe, und er verspürte Lust, sie wegzuscheuchen, als wäre sie eine lästige Fliege, doch er konnte sich nicht bewegen. Leises Stimmengemurmel war um ihn herum zu hören, doch er war benebelt und bekam nur Bruchstücke der Unterhaltung mit.
»Er ist noch zu schwach für eine Befragung«, vernahm er eine tiefe Stimme, »aber sehen wir mal, ob es ihm morgen nicht besser geht. Wenn man seine Verletzungen bedenkt, mit denen er heute Nacht eingeliefert wurde, hat er große Fortschritte gemacht, und wir gehen davon aus, dass er durchkommt. Aber es hing an einem seidenen Faden.«
Sejr versuchte, etwas zu sagen, doch die Stimme gehorchte ihm nicht, und schon durch die minimale Kraftanstrengung bohrten sich die Schmerzen tiefer in seinen Kopf. Er stöhnte laut, und die Stimme der Krankenschwester war wieder sehr nahe.
»Ich gebe Ihnen jetzt etwas Morphium, Herr Brask. Sie bekommen es über den Tropf.« Sie fingerte an seiner rechten Hand herum, es ziepte leicht, und kurz darauf spürte er die beruhigende Wirkung des Morphiums.
»Es ist wichtig, dass Sie keine Schmerzen haben. Ich lege Ihnen eine Schnur in die Hand, mit der Sie die Ruftaste betätigen können. Sie melden sich, wenn Sie Schmerzen bekommen, und ich erhöhe die Dosis.«
Die Krankenschwester gab Sejr die besagte Schnur , und er hielt sie gut fest. Diese Schnur würde er um nichts in der Welt loslassen.
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Tibor erkannte sich im Spiegel nicht wieder. Seine Haut war bleich, fast grau, und die Farbe erinnerte ihn an die Leichen, über die er während des Krieges massenweise gestiegen war. Die Bartstoppeln waren lang und schwarz und die Haut von Schweißperlen bedeckt. Draußen musste es warm sein, denn seine abgeschlossene Wohnung fühlte sich wie eine Sauna an.
Das Telefon hatte im Abstand von wenigen Stunden die ganze Nacht durch geklingelt. Er hatte mehrmals erwogen, den Stecker herauszuziehen, doch wenn er das tat, wusste er nicht, wo sich der Anrufer befand. So wusste er zumindest, dass er weiterhin am gleichen Ort war, vermutlich in seiner Wohnung oder in seinem Haus, da er die Laute der Umgebung durch das Telefon hören konnte: einen Kühlschrank, der summte, und eine Uhr, die nervtötend laut tickte.
Milica lag zu seinen Füßen, sie hatte sich beruhigt, Molly dagegen trabte ruhelos und leise fiepend durch die Wohnung. Er spürte das Adrenalin durch den Körper des Hundes pumpen, seine Unruhe stresste
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