Blut für Blut: Thriller (German Edition)
Tjörnap lag, musste gründlich renoviert werden, und Linnea hatte sich darauf gefreut, dass die Sommerferien begannen und ihr Zeit gaben, das Haus instand zu setzen. Sie sah aus dem Küchenfenster, betrachtete die hohen, schlanken Tannen, die Birken und das dunkle, glatte Wasser des Sees, das zwischen ihnen hindurchschimmerte.
Sie holte den Teig aus dem Kühlschrank und breitete ihn auf dem Tisch aus. Åke würde am Nachmittag kommen, um zu sehen, wie weit sie gekommen war, und sie wollte ihn mit einem selbst gebackenen Brot überraschen. Sie genoss die besondere Stille im Haus, nur unterbrochen von Vogelgesang. Das Haus war im buchstäblichen Sinne ein verlassener Bauernhof, der ein gutes Stück im Wald auf einer Lichtung lag, die zum See hinunterging. Bis zum nächsten Nachbarn war es etwa einen halben Kilometer. Der Nachbarhof war nicht so oft bewohnt, das Haus gehörte Dänen, das wusste sie, und sie kamen vor allem in den Ferien. Sie kannte sie nicht, grüßte aber natürlich, wenn sie sie hin und wieder traf, genau wie heute Morgen. Sie war mit dem Auto einkaufen gefahren und auf dem Rückweg an einem weißen VW Polo vorbeigekommen. Sie hatte die Hand zum Gruß gehoben, doch der dunkelhaarige Mann hinter dem Steuer hatte sie ignoriert und war stattdessen auf den Weg zu dem Nachbarhof hinunter eingebogen. Sie lächelte vor sich hin, so viel zur allgemeinen Höflichkeit.
Linnea knetete den Teig auf dem Küchentisch gut durch, während ihre Gedanken um das Studium in Malmö kreisten. Ihr fehlten noch immer drei Jahre, bevor sie als Lehrerin fertig war, und sie war ungeduldig, sie wünschte, sie besäße einen fast-forward -Knopf, dann könnte sie schnell zu der nächsten Etappe ihres Lebens vorspulen. Sie wollte in der Dritten Welt unterrichten, dort würde man jemanden wie sie gut brauchen können, eine gut ausgebildete und engagierte junge Frau. Sie versetzte dem Teig einen kräftigen Schlag und registrierte plötzlich eine Bewegung zwischen den Bäumen draußen. Sie hörte einen Moment zu kneten auf und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, aber da war nichts. Sie zuckte mit den Schultern und bearbeitete weiter den Teig. In den ersten Nächten war es ihr schwergefallen, allein in dem Haus zu schlafen. Sie musste sich an die Dunkelheit, die Einsamkeit, die Abwesenheit des Stadtlärms und die Geräusche des Waldes erst gewöhnen, doch mit dem Fortschreiten der Tage genoss sie es mehr und mehr. Sie fühlte sich hier im Gegensatz von zu Hause, wo sie oft erschöpft war, wenn der Wecker klingelte, gesünder und frischer, wenn sie morgens aufwachte. Sie gab den Teig in die Brotform und legte ein sauberes Küchenhandtuch darüber. Dann stellte sie die rote Eieruhr auf vierzig Minuten.
Draußen war es dunkler geworden, schwarze Wolken zogen schnell über den Himmel, die Luft war schwer vor kleinen Regentropfen. Die Teppiche. Sie lief aus dem Haus zu dem Wäscheständer auf dem Rasen, wo sie die handgearbeiteten Flickenteppiche ihrer Großmutter zum Trocknen aufgehängt hatte. Sie hatte sie vorsichtig gewaschen, und sie waren schön und klar in den Farben geworden, so als wären sie neu. Sie nahm sie schnell ab, während der Regen auf sie hinunterprasselte. Dann stürzte sie wieder ins Haus, doch sie war trotzdem total durchnässt. Sie hängte die Teppiche über das Geländer der Treppe im ersten Stock und stieg schlotternd vor Kälte die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Sie musste sich etwas Trockenes anziehen, sie würde sich erkälten, wenn sie die nassen Sachen anbehielt. Sie stieß die Schlafzimmertür auf und ging zur Kommode. Einen Moment betrachtete sie sich in dem alten, fleckigen Spiegel. Die großen ovalen Augen, das lange dunkle Haar, das durch die Farbspritzer fast grau gesprenkelt wirkte, und die fülligen, glänzenden Lippen. Sie spitzte die Lippen wie zu einem Kuss und musste über sich selbst lächeln. Sie vermisste Åke. Sie zog sich die feuchte Bluse über den Kopf, die an der Haut klebte, und bemerkte deshalb den Schatten nicht, der hinter sie glitt. Als ihr Gesicht wieder im Spiegel zu sehen war, starrte sie in ein weißes Gesicht mit leeren, schwarzen Augen hinter ihrem. Sie öffnete den Mund, um zu schreien, spürte noch einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf, dann wurde alles schwarz.
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Brodersen hatte ihnen unter der Auflage grünes Licht gegeben, dass sie, sobald sie die Grenze überquerten, Verstärkung von der Polizei in Schonen anforderten. Sie waren jetzt etwas
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