Blut für Blut: Thriller (German Edition)
gesprochen, seit er und Amalie auf Mallorca angekommen waren, und sie waren beide zerstreut gewesen, als wäre das Telefonat eine Aufgabe, die es zu meistern galt. Rebekka spürte, wie der Zweifel sich in ihr breitmachte. Hatte sie ihn in den letzten Tagen überhaupt vermisst? Sie klickte sich in Facebook ein und rief Michaels Profil auf, wo er bereits ein paar beneidenswerte Fotos von sich und Amalie am Pool und am Strand eingestellt hatte. Sie studierte sie, betrachtete das strahlende Gesicht seiner Tochter, während sie am Strand spielte. Michael lächelte auf den Bildern, sein lockiges Haar leuchtete weiß vor dem türkisfarbenen Mittelmeer. Wer wohl die Bilder gemacht hatte, dachte sie, und einen Augenblick tippte sie auf Bettina Pallander. Ihr Magen schnürte sich zusammen bei der Vorstellung von Bettina und Michael am Strand, von Sonnencreme, die in die Haut eingerieben, Mineralwasser, das in der Hitze geteilt wurde, und laue Sommerabende in Restaurants am Meer. Die Eifersucht nagte an ihr wie ein kleiner Wurm, und sie holte das Handy heraus und schrieb eine SMS, wie schön alles auf den Fotos aussah, und schloss damit, ihm zu sagen, dass sie ihn vermisste.
Sie trottete in die Küche, um sich noch einen Kaffee zu holen, doch irgendein Scherzkeks hatte die Kaffeemaschine ausgeschaltet, und der letzte Rest Kaffee in der Kanne war inzwischen kalt. Sie hatte keine Lust, neuen aufzusetzen, und ging unverrichteter Dinge zurück in ihr Büro. Sie musste nur noch ein wenig Papierkram erledigen, bevor sie nach Hause gehen konnte. Sie wusste, dass Reza und Simonsen gerade Thomas verhörten, der weiterhin leugnete, seine Mutter umgebracht zu haben, doch Brodersen war unerbittlich.
»Wir müssen ihn nur mürbe genug machen, dann gesteht er«, hatte er im Verlauf des Tages wiederholt gesagt.
Rebekka seufzte. Sie wusste, dass das passieren würde. Sie hatte sich gerade vor der Tastatur zurechtgesetzt, als sie aus dem Nachbarbüro ein Rascheln hörte. Sie stand auf, öffnete die Tür und sah Niclas Stapel mit Papieren und Akten in einen Umzugskarton packen. Er drehte sich zu ihr um und lächelte ein wenig, während er mit seiner Arbeit fortfuhr.
»Du reist ab?«, fragte sie und versuchte, uninteressiert zu klingen, hörte jedoch selbst, dass ihre Stimme ihr nicht ganz gehorchte.
Niclas nickte kurz. »Ja, morgen Vormittag. Mein Flieger geht so gegen zehn.«
Er schwieg und ging zum Regal hinüber, zog ein paar Bücher heraus und stopfte sie in den Karton. Rebekka kam sich steif und unbeholfen vor, wie sie da in der Tür herumstand. Jetzt hatte sie die Gelegenheit, ihn zu fragen, ob sie zum Abschied zusammen ein Bier trinken gehen wollten, doch sie konnte sich nicht dazu aufraffen. Stattdessen zuckte sie leicht mit den Schultern.
»Na, dann guten Flug nach Stockholm. War nett, dich kennenzulernen.«
»Gleichfalls. Danke für die gute Zusammenarbeit.« Niclas drehte sich zu ihr um und streckte die Hand aus, und sie ergriff sie linkisch und hielt sie einen Moment in ihrer, bevor sie losließ und zurück in ihr Büro ging. Ihre Beine zitterten etwas. Kurz darauf hörte sie das Klicken des Lichtschalters und eine Tür, die geschlossen wurde. Niclas war fort.
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»Wir haben uns gestern Abend gar nicht richtig voneinander verabschiedet.«
Es war früher Morgen, und Niclas stand in der Tür ihrer Wohnung. Rebekka war unter der Dusche gewesen, als es geklingelt hatte, hatte sich schnell ein Handtuch um den Körper gewickelt und in dem Glauben aufgemacht, dass es ihre Nachbarin Kathe war. Stattdessen stand Niclas vor ihr, der in seinem maßgeschneiderten Anzug und mit der Reisetasche über der Schulter tadellos aussah.
»Willst du nicht hereinkommen?« Sie machte eine einladende Armbewegung, bei der das Handtuch etwas nach unten rutschte und den obersten Teil einer Brust entblößte. Niclas trat in die Diele, und sie zog das Handtuch schnell wieder an seinen Platz.
»Soll ich dir einen Tee machen, bevor du fährst? Oder einen Kaffee? Ich habe natürlich auch Kaffee.«
Sie hörte, wie sich ihre Stimme fast überschlug, und drehte sich um, um in die Küche zu gehen, während sie hinzufügte: »Und etwas zu essen. Du hast vielleicht Hunger, ich habe Brot und Käse da.«
Sie spürte Niclas’ Blick auf sich ruhen und schaute ihn an. Er hatte einen Ausdruck auf dem Gesicht, den sie nicht einordnen konnte.
»Ich kann dir auch etwas zum Mitnehmen machen«, fügte sie hinzu und spürte ein Zittern im Unterleib.
»Ssst,
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