Blut für Blut: Thriller (German Edition)
Gymnasium gegangen, das Østre Borgerdyd.«
»Ich wollte die Nachricht persönlich überbringen, bevor sie später am Tag öffentlich gemacht wird.«
Kristine nickte und versuchte sich an einem Lächeln.
»Vielen Dank«, sagte sie und gab Rebekka die Hand, »ich glaube, ich möchte jetzt gerne mit meinem Vater alleine sein und versuchen, ihm verständlich zu machen, was passiert ist.«
Als Rebekka einige Minuten später aufstand, um zu gehen, fiel ihr Blick auf ein vergrößertes Farbfoto, das in einem Goldrahmen an der Wand hing. Das Foto zeigte eine Familie: Vater, Mutter und zwei Töchter, die den Fotografen freudestrahlend anlächelten. Das jüngere Mädchen war eindeutig Kristine, das ältere Charlotte, sie war ungefähr sieben bis zehn Jahre alt. Die Mädchen trugen die gleichen lila Kleider, und alle vier lächelten sorglos in die Kamera, in glücklicher Unwissenheit, wie grausam ihre Zukunft sich entwickeln würde. Rebekka bekam eine Gänsehaut und eilte aus dem Zimmer. Sie holte ihre Jacke aus der Tasche und zog sie an, fror jedoch weiter.
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Sejr lag alleine in dem Zimmer. Draußen schien die Sonne, und er konnte sich vorstellen, wie der Verkehr sich träge den Blegdamsvej hinunterbewegte. Er hatte nach der Befragung am Morgen ein paar Stunden gedöst. Die beiden Ermittler waren sehr freundlich gewesen und hatten durchscheinen lassen, dass sie durch seine Aufnahme Thomas Schack Lefevre hatten unter Druck setzen können, sodass er schließlich die Vergewaltigung und den Mord an Charlotte B. Hansen gestanden hatte. Es hatte ihn überrascht, dass auch noch sieben weitere brutale Vergewaltigungen und ein Vergewaltigungsversuch auf Thomas’ Konto gingen, doch die Information bestätigte nur, was er bereits gewusst hatte: Thomas Schack Lefevre war ein unheimlicher Typ. Er hatte verstanden, dass ihnen noch immer Beweise dafür fehlten, dass der Mann auch seine Mutter umgebracht hatte, aber das konnte doch nicht so schwer sein? Sejr stöhnte. Sein Kopf pochte unangenehm, aber trotzdem merkte er, dass er langsam wieder auf die Beine kam. Ein Schädelbruch mit einem anschließenden Herzstillstand, eine gebrochene Nase, eine punktierte Lunge, eine gebrochene Rippe und mehrere große Blutergüsse am ganzen Körper. Das waren keine Kleinigkeiten, die Thomas ihm zugefügt hatte. Doch Sejr bereute nichts, er hatte einen Mord aufgeklärt, hoffentlich bald zwei, und selbst wenn nicht alles nach Plan gelaufen war, war er auf seinen Einsatz stolz.
Er freute sich darauf, wieder Zeitung lesen zu können, doch als er es heute Morgen voller Eifer, mehr über die Fälle zu erfahren, versucht hatte, hatte es ihm so heftig vor seinen Augen geflimmert, dass er hatte aufgeben müssen. Er wollte seine Kräfte sammeln und sehen, ob er später am Tag kräftig genug war, Jarler anzurufen. Es wäre Gold wert, wenn der Kommissar ihn besuchen und auf den neuesten Stand bringen könnte. Ach, und jetzt ein kaltes Pils. Er spürte eine innere Unruhe, und plötzlich brach ihm der Schweiß aus, und es kam ihm so vor, als würde jeder auch noch so kleine Muskel in seinem Körper wehtun. Schnell betätigte er den Alarm, und eine schöne jüngere Krankenschwester steckte kurz darauf den Kopf zur Tür herein.
»Sie haben gerufen?«
Er versuchte, ihr sein unwiderstehliches Lächeln zu schenken, ein Lächeln, dem die Frauen in seiner Jugend oft nicht hatten widerstehen können. Sie schien nicht darauf anzusprechen.
»Ich hätte gerne etwas Morphium«, flüsterte er. »Mir tut alles weh.«
Die Krankenschwester, die ihrem Namensschild zufolge Eva hieß, kam zu seinem Bett und sah ihn mit einer Mischung aus Sorge und Ärger an: »Herr Brask, wir müssen das Morphium langsam herabsetzen. Sie bekommen sehr viel höhere Dosen, als wir gewöhnlich anordnen. Ich glaube, dass es Ihnen schlecht geht, weil Sie Entzugserscheinungen haben.«
Entzugserscheinungen. Was zum Teufel bildete sie sich ein? Sejr widerstand dem plötzlichen Drang, ihr ihren glänzenden Mund einzuschlagen, aus dem all die verdammten Worte strömten. Entgiftung, Lebensstiländerung, Antabus. Er kniff die Augen fest zusammen und schwieg, unterbrach sie nicht, verteidigte sich nicht, lag einfach still da und ließ sie reden. Irgendwann musste sie schließlich aufhören. Es wurde still, und Sejr öffnete vorsichtig die Augen. Die Krankenschwester war gegangen. Er befeuchtete die Lippen, lag einen Augenblick da und verdaute, was sie gesagt hatte. Trotz seiner Wut auf sie musste er
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