Blut für Blut: Thriller (German Edition)
jüngere dunkelhaarige Angestellte, die am Vormittag weinend in Lundely zusammengebrochen war. Kristine oder so.
»Kristine, das sind Rebekka Holm und Reza … Sie sind von der Polizei, und das ist Kristine Berg, eine gute Kollegin meiner Mutter. Kristine hat angerufen und angeboten vorbeizukommen …«
»Wir sind uns heute Vormittag begegnet, als Peter umgekippt ist«, unterbrach Kristine sie und nickte Rebekka und Reza freundlich zu. Dann überreichte sie Marie-Louise schüchtern einen Blumenstrauß.
»Bitte, die sind für dich. Von uns allen.«
»Tausend Dank, Kristine. Das wäre doch nicht nötig gewesen«, rief Marie-Louise und nahm den Strauß entgegen.
»Wir sollten jetzt auch gehen.« Reza nickte freundlich, und Rebekka verabschiedete sich von Marie-Louise und wandte sich an Kristine Berg, die ihren Mantel gerade auf einen Bügel hängte. Rebekka reichte ihr die Hand, und Kristine ergriff sie.
»Wir sollten uns auch bald unterhalten.« Die Frau nickte freundlich, und Rebekka fiel auf, dass ihr Händedruck fest und trocken war.
____
Sie aßen Shawarma in der Købmagergade. Als sie Marie-Louises Haus im Dyssegårdsviertel verlassen hatten, hatte Reza lauthals verkündet, dass er sich weigere weiterzuarbeiten, bevor er nicht etwas zu essen bekommen habe. Rebekka hatte sich ihm gefügt, und sie waren in einem Shawarmalädchen in der Købmagergade gelandet, Rezas bevorzugtem Fast-Food-Restaurant.
Von der Købmagergade aus gingen sie die Strøget hinunter zur Brolæggergade, in der Thomas Schack Lefevre wohnen sollte. Die Sonne schien von einem blauen Himmel, und die Strøget war voller sommerlich gekleideter Menschen, Straßenmusikanten, Schausteller und mehrerer Gruppen fröhlicher Abiturienten in Rot und Weiß. Als sie den charakteristischen Ton einer eingegangenen SMS hörte, kramte sie in ihrer Tasche und griff nach ihrem Handy. Es war Michael, der schrieb, dass er nach Hornbæk an den Strand gefahren sei, um zu baden. Sie solle sich keinen Stress machen, zu einer bestimmten Zeit zu Hause zu sein, er habe sich mit einem alten Freund verabredet, den er lange nicht gesehen habe. Rebekka vermisste ihn plötzlich sehr, was ihr Angst machte. Sie hatte noch nie so für jemanden empfunden, und das Gefühl zu lieben, ließ ihr den Angstschweiß ausbrechen. Eine gleichaltrige Frau spazierte mit einem Kinderwagen vorbei. Ein kleines, rundes Gesicht lächelte verzückt zu Rebekka hoch, und ihr Herz machte einen zusätzlichen Schlag.
»Rebekka, Rebekka.« Sie hörte Reza von weit weg rufen, und ihre Tagträume entschwanden im Menschengewimmel.
»Ja.«
Der Kollege klopfte ihr fest auf die Schulter.
»Träumst du, Rebekka?«
»Hör auf, was meinst du?« Sie konnte nicht anders als zu kichern.
»Du warst total weg, und du hast eben verträumt dem Kinderwagen hinterhergestarrt. Gibt es etwas, das du mir gerne erzählen möchtest?«, fuhr er fort, und Rebekka musste laut lachen.
»Reza, ich verspreche dir, dass du es als Erster erfährst, wenn etwas Spannendes passiert, wie du so gerne sagst. Ich war einfach in Gedanken versunken und habe an meinen Freund gedacht, der sich allein die Zeit vertreiben muss, während ich schufte. Hier ist es doch, oder?«
»Ja, da steht Lefevre. Ganz oben.«
Sie wurden eingelassen und stiegen die steile, knarrende Treppe in die vierte Etage hinauf, wo Thomas wohnte und arbeitete.
____
»Endlich. Ich bin völlig fertig, und ich muss einfach darüber reden.« Thomas Schack Lefevre war ein großer, muskulöser Mann mit dicken dunklen Haaren und großen blauen Augen, die vom Weinen geschwollen waren. Sie drückten ihm ihr Beileid aus, und er führte sie in seine Atelierwohnung und bot ihnen in der unordentlichen Küche einen Platz an dem länglichen Tisch an, von dem die Farbe abblätterte. Einige Meter weiter führten ein paar Stufen in ein großes, helles Atelier mit Oberfenstern hoch. Es roch stark nach Farbe und Terpentin, und Rebekka nahm ein paar große Gemälde wahr, die gegen die Wände gelehnt waren. Thomas kochte Kaffee und stellte Tassen und eine kleinere, halb volle Zuckerdose vor sie auf den Tisch. Seine Bewegungen waren fahrig, er war deutlich nicht er selbst. Er ließ sich schwer auf einen zerkratzten Küchenstuhl fallen und sah sie gequält an.
»Ich habe meine Mutter wahnsinnig geliebt. Sie war der Mensch, der mir von allen am nächsten stand. Näher als meine Exfreundin Katrine oder Fregne, wie sie genannt wird, näher als meine Tochter Nelly, näher als meine
Weitere Kostenlose Bücher