Blut für Blut: Thriller (German Edition)
sich sein Magen einen Augenblick krampfhaft zusammen.
Ach, zum Teufel, eigentlich ist das doch alles egal, dachte er und winkte dem Barkeeper. Kurz darauf stand ein neues kühles Pils vor ihm. Er trank einen großen Schluck und spürte, wie sich langsam Wärme in seinem Körper ausbreitete. Die zitternden Hände wurden ruhiger, der verzweifelte Ausdruck seiner Augen milder. Der Barkeeper warf einen Stapel Vormittagszeitungen vor ihm auf den Tisch, und er streckte begierig die Hand nach der obersten aus. » Kissi Schack ermordet « stand da in fetten Lettern auf der Titelseite, und plötzlich beschleunigte sein Puls, und seine Augen überflogen schnell den Artikel. Da stand, dass die bekannte Sozialarbeiterin Kirsten Schack, genannt Kissi, tot auf dem Kastell in Kopenhagen gefunden worden war. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen, und sein Hals war trocken, obwohl er gerade zwei Bier gezischt hatte. Er kannte Kissi Schack aus den Medien, wo sie sich seit Jahrzehnten auf charmante und kompetente Weise für die Schwachen einsetzte. Sie hinterließ zwei Kinder, den bekannten Kunstmaler Thomas Schack Lefevre und die Korrespondentin Marie-Louise Schack Lefevre, schloss der Artikel. Und plötzlich dämmerte Sejr etwas. Etwas Fernes und Erschreckendes kroch ihm unter die Haut wie ein krabbelndes Insekt, und er leerte die Flasche, während er begierig nach der nächsten Zeitung griff, um zu sehen, ob sie etwas mehr über den Mord brachte.
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Brodersen stand mitten im Besprechungszimmer und diskutierte eifrig mit ein paar Ermittlern, als Rebekka und Reza im Polizeipräsidium eintrafen. Sie redeten laut, und die Stimmung war von Arbeitseifer aufgeladen.
»Was ist denn hier los?« Rebekka ließ ihre Tasche neben der Gruppe auf den Boden fallen, und der Chef der Mordkommission drehte sich zu ihr um.
»Er hat wieder zugeschlagen. Unser Serienvergewaltiger. Das heißt, wir vermuten, dass er es war, er hat um zwei Uhr heute Nacht eine junge Frau auf dem Pfad überfallen, der am Sankt-Jørgens-See entlangführt. Glücklicherweise ist sein Vorhaben missglückt, weil ein aufmerksamer Anwohner die Schreie der Frau gehört und reagiert hat, indem er das Fenster aufgemacht und hinuntergerufen hat.«
»Das kann doch nicht sein! Es ist erst eine Woche her, dass er das letzte Mal zugeschlagen hat. Konnte sie eine Personenbeschreibung geben?« Rebekka sah Brodersen neugierig an, der den Kopf schüttelte.
»Sie konnte nichts Besonderes beitragen. Es war dunkel, sie hatte etwas getrunken und erinnert sich nur, dass er stark war, sehr stark. Sie ist mit einer gebrochenen Nase und ein paar Hautabschürfungen davongekommen.« Der Chef der Mordkommission seufzte und fügte hinzu: »Übrigens, was die Vergewaltigung neulich angeht: Louise Kristiansen ist aus ihrem künstlichen Koma erwacht und scheint von dem Überfall keine Schäden zurückbehalten zu haben. Niclas und Super haben sie verhört, doch sie kann den Vergewaltiger nicht direkt beschreiben. Sie war stark angetrunken und erinnert sich nur schwach, dass sie in den Hinterhof in der Toldbodgade gegangen ist, um zu pinkeln. Das ist alles. Leider.«
»Verdammt.« Rebekka biss sich fest auf die Lippe. Sie hatte gehofft, dass Louise Kristiansen sie in der Sache weiterbringen könnte. Sie spürte, dass sie zitterte, und ihr wurde klar, wie schwer es ihr fiel, die Ermittlungen in den Vergewaltigungsfällen abzugeben, obwohl sie darauf brannte, den Mord an Kissi Schack aufzuklären. Sie begegnete Brodersens Blick.
»Ich habe gerade die DNA-Proben bei den Rechtsmedizinern angemahnt. Ich bin davon überzeugt, dass der Täter im Fall Louise Kristiansen mit dem identisch ist, der hinter den zwei brutalen unaufgeklärten Vergewaltigungen hier und den zwei in Schweden steht und vermutlich auch hinter dem Vergewaltigungsversuch heute Morgen, doch das werden wir ohne DNA-Spuren nicht beweisen können. Niclas und ich haben den Überfall auf Louise Kristiansen mit den übrigen verglichen, und die Signaturen ähneln sich auffallend.«
Einer der jüngeren Ermittler nickte und fügte hinzu: »Das kann kein Zufall sein – es muss derselbe sein.«
Rebekka sah ihren Chef an. Er war wie immer gut gekleidet, das Hemd war frisch gebügelt und der Anzug in einem diskreten Dunkelgrau, dem gleichen Ton wie seine Augen, einem kräftigen Grau mit einem lila Schimmer, einer Augenfarbe, die Rebekka noch nie bei jemandem sonst gesehen hatte. Er war attraktiv, und sie erinnerte sich, dass sie ein wenig in ihn
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