Blut im Schnee
Eigentlich keine gute Voraussetzung in diesem Beruf, doch sie war einfach ein guter Mensch. In diesem Punkt konnte und wollte er ihr nichts Schlechtes nachsagen.
„Hast du dich extra so in Schale geschmissen?“, riss Enrique ihn aus seinen Gedanken. Thorsten fuhr erschrocken herum und erkannte, dass der andere hinter ihn getreten war. Nun trennten sie kaum mehr zwanzig Zentimeter und sofort baute sich die Spannung wieder auf.
„Für die Party. Wenn ich schon hingehe, will ich auch zeigen, wo ich hingehöre.“
Enrique zeigte ein belustigtes Lächeln, ergriff den Zipper der Weste und zog sie ungefragt auf. „Indem du dich kleidest, wie ein Appetithäppchen?“
„Nein! Eher wie eine richtige Tunte, die Party machen will“, erwiderte Thorsten gereizt und trat ein Stück zurück.
Enrique ließ sich davon nicht beeindrucken, denn er kam erneut näher. Seine Blicke glitten über das freigelegte Stück von Thorstens Oberkörper, und ehe der sich versah, griff Enrique erneut an die Weste und streifte sie ab.
„Was …“, begann Thorsten, doch Enrique schnitt ihm das Wort ab.
„Das ist nicht tuntig, das ist rattenscharf! Jetzt sag nicht, dass dir das nicht bewusst war.“
„Hab ich das behauptet?“, entgegnete er schwach. Er fühlte sich, als ob er in der Falle säße. Die dunklen Augen, die ihn ansahen, sagten mehr, als Worte es getan hätten. Ein nervöses Kribbeln breitete sich in ihm aus. Unschlüssig, was er tun sollte, blieb er einfach stehen. Enrique hob die Hand und strich von Thorstens Schulter über die Brust.
„Dios mio! Du weißt, dass ich dich geil finde – wie kannst du dann das anziehen?”, fragte er mit rauer Stimme.
„Ich habe das nicht wegen dir an“, hielt Thorsten leise dagegen. Um laut zu sprechen fehlte ihm die Kraft. Enriques warme Hand und das Prickeln, das zwischen ihnen in der Luft lag, raubten ihm den Verstand.
Eine atemlose Stille hing zwischen ihnen. Keiner wagte den Rückzug oder den nächsten Schritt. Zudem musste Thorsten sich eingestehen, dass er eben nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er trug diese Sachen einzig und allein, um bei Enrique eine Reaktion herauszufordern. Die war erfolgt. Was nun im Anschluss geschehen würde, blieb einen weiteren Augenblick in der Schwebe hängen. Sie sahen sich einfach nur an.
Enrique ergriff schließlich die Initiative, als das Knacken des Wasserkochers, der sich abschaltete, die Stille durchbrach.
„Verdammt“, murmelte er. Dann schob er eine Hand in Thorstens Nacken und zog ihn zu sich. Es dauerte kaum länger als einen Wimpernschlag, ehe sich ihre Lippen trafen. Die erste Berührung war elektrisierend, ängstlich erwartet und ersehnt zugleich. Mit leichtem Druck presste Enrique ihm seinen Mund auf und noch immer war Thorsten unschlüssig. Gefangen zwischen Intuition und Ratio schwankte er hin und her. Als Enrique seine Zungenspitze zwischen Thorstens Lippen schob, verabschiedete sich das rationale Denken. Eine Flut von Gefühlen überrannte ihn. Ein wohliges Schaudern ergriff ihn, das von einem erregenden Kribbeln ersetzt wurde, als ihre Zungen sich auf einen wilden Tanz einließen. Kein zartes Erkunden, eher ein hungriges Fordern.
Thorsten umfasste Enrique an den Hüften und wünschte, der Kuss würde niemals enden. Enriques kaum unterdrückte Leidenschaft, die Lust auf mehr machte, steckte ihn an. So plötzlich, wie es begonnen hatte, zog Enrique sich zurück und Thorsten sah ihn forschend an. Sein Atem ging hektisch und sein Herz klopfte wild.
„Willst du das wirklich?“, fragte Enrique, dessen Stimmlage etwas tiefer war, als gewöhnlich.
Thorsten sah ihn an – in die dunkeln Augen, das markante Gesicht und auf den weichen Mund, der sich so gut auf seinem anfühlte. Er wusste, wenn er ja sagte, gab es kein Zurück. Kims Worte kamen ihm in den Sinn: Ja und? Diese gaben den Ausschlag. Thorsten nickte, trat auf Enrique zu und eroberte die Lippen des anderen. Mit einem sinnlichen Seufzen quittierte Enrique Thorstens Zustimmung.
Es kam ihm so vor, als würde Enrique alle Zurückhaltung fallen lassen, so fordernd wurde der Kuss. Ihre Hände gingen auf Wanderschaft, eroberten fremdes Gebiet und der Reiz des Neuen machte das elektrisierende Spiel zu einem Abenteuer.
Enrique strich über die Maschen des Netzshirts und murmelte an Thorstens Mund: „Zieh das Ding aus, ehe ich es zerreiße.“
Thorsten keuchte auf. Die Vorstellung, Enrique könnte über ihn herfallen, brachte sein Blut zum Kochen. Er mochte diese Art der
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