Blut klebt am Karlspreis
„Was ist denn wirklich Sache? Oder muss ich morgen einen Antrag an die Staatsanwaltschaft richten mit dem nochmaligen Anliegen, unverzüglich den Zeugenvorzuladen?“
Böhnke stöhnte kurz auf, ihm behagte meine Hartnäckigkeit nicht. „Sache ist, dass es sich bei dem Toten um einen Typen aus der rechtsradikalen Szene handelt. Wir haben mittlerweile herausbekommen, wo er tatsächlich gewohnt hat. Zur Zeit stellen die Sachverständigen der niederländischen Polizei in Kerkrade die Wohnung auf den Kopf.“
„Was bedeutet das für Franz Loogen?“ Ich wiederholte meine Frage und erwartete eigentlich nur eine Antwort: Der Junge kommt endlich raus aus dem Bau.
Das könne verständlicherweise nicht er entscheiden, entgegnete der Kommissar. Er versicherte mir allerdings, dass er sich auf seine Art für meinen Mandanten einsetzen werde.
Was Böhnke damit meinte, war mir nicht klar, war mir aber auch einerlei. Hauptsache war für mich, dass der Junge endlich nach Hause kam. „Der hat überhaupt nichts getan, das wissen wir beide.“ Meine Vermutung, die Böhnke wahrscheinlich teilte, blieb unausgesprochen. Sie führte zu einem Thema, das nichts mit Loogen zu tun hatte und mich nur von meiner Arbeit zugunsten des Jungen ablenken würde. Insofern konnte ich aber durchaus zufrieden sein. Mich sollte es nicht weiter bekümmern, dass ein Rechter auf der Strecke geblieben war. Das sagte ich Böhnke, der bitter auflachte.
„Für Sie ist der Fall fast schon gelaufen, Herr Grundler, für uns fängt er jetzt erst richtig an.“ Und dann deutete der Kommissar doch eine Vermutung an. „In Kerkrade ist es bei einen Versuch geblieben, jetzt wurde daraus der Ernstfall und niemand weiß, was noch auf uns zukommen wird.“
„Das ist Ihr Bier, nicht meines“, sagte ich zum Abschied. „Prost!“
Der Tag fing erfolgreich an, so könne er ruhig weitergehen, meinte ich zu Sabine, die mich freudestrahlend mit frischem Kaffee versorgte. „Ein Herr Müller will dich sprechen“, sagte sie und wehrte meine zaghaften Bemühungen ab, sie an mich zu ziehen. „Muss ich den Herrn kennen?“
„Nein, aber du wirst den Herrn in wenigen Augenblicken kennen lernen“, antwortete meine Liebste und eilte zur Bürotür. Höflich bat sie einen Mann in mein Zimmer.
Ich kannte ihn tatsächlich. Jedenfalls hatte ich ihn erst vor kurzem irgendwo gesehen, erinnerte ich mich.
Der Besucher, ein junger, schlanker Mensch mit hellen Haaren und in adretter, gepflegter Kleidung, half mir auf die Sprünge. Er sei Sprecher der WG aus der Monheimsallee, klärte er mich bereitwillig auf. Müller machte einen gelassenen und ruhigen Eindruck.
Man hätte heute Morgen in der AZ von der mangelnden Dialogbereitschaft der Studenten gelesen und den ungeheuerlichen Vorwurf, einer aus ihrem Kreise könnte die Anschläge auf die Wasserzufuhr und die Stromversorgung verübt haben. „Dagegen verwahren wir uns entschieden“, sagte er leise, aber durchaus bestimmt. Der Student blieb überraschend sachlich, war längst nicht so emotional wie seine Kommilitonen, die mich aus dem Haus geworfen hatten.
„Wir haben Erkundigungen über Sie eingeholt“, fuhr er ruhig fort, „und dabei haben wir festgestellt, dass Sie vielleicht doch nicht der Stinkstiefel sind, wie wir ursprünglich angenommen hatten. Wir wollen zumindest inoffiziell mit Ihnen ins Gespräch kommen. Allerdings unter einer, nein, unter zwei Bedingungen.“ Ich runzelte fragend die Stirn. Was wollte das Männlein von mir? „Wir würden gerne mit Ihnen heute Abend bei uns reden“, erklärte Müller mir.
,Warum nicht?’, dachte ich mir. „Ich komme gerne und ich komme allein“, willigte ich ein.
„Damit haben Sie schon einen Teil unserer zweiten Bedingung erfüllt. Wir wollen nämlich außerdem den Reporter der Aachener Zeitung als Augenzeugen bei dem Gespräch dabeihaben.“
„Aber nur, wenn er zusichert, nichts über das Treffen zu schreiben“, hakte ich rasch nach. Ich käme in Teufels Küche, wenn ich quasi hinter Brandmanns Rücken mit den Hausbesetzern verhandelte und er las anschließend davon etwas in der Zeitung. „Er hat es uns versprochen.“ Der Student schien überzeugt, dass der Journalist seine Zusage einhalten würde.
Ich hatte da meine Zweifel, musste aber zugleich dem Schreiberling zugute halten, dass er bei der Entführung von Lennet Kann zum entscheidenden Zeitpunkt, wenn auch notgedrungen, lange geschwiegen hatte, nachdem er zum Mitwisser geworden war.
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