Blut klebt am Karlspreis
Grundler.“
Ich enthielt mich eines Kommentars. Ich empfände es aber auch nicht als hilfreich, hielt ich stattdessen dagegen, wenn Hausbesetzer nicht einmal dialogbereit wären. „Ich könnte mir durchaus eine Lösung in ihrem Sinne vorstellen“, sagte ich, ohne zu wissen, wie diese Lösung aussehen könnte.
Der Schreiberling wollte davon nichts hören. „Ich haue morgen auf Brandmann drauf“, verkündete er entschlossen.
Die anderen Gespräche mit den Medienvertretern brachten mich auch nicht weiter, sodass ich sie schnell wieder verdrängte. Letztlich war ich nur gespannt, was mein AZ-Freund aus der Geschichte machen würde.
Ernstfall
Der Redakteur blieb bei seiner Absichtserklärung. Die Aktualität und die Sensationsgier hatten seiner Ankündigung einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht, wie ich am nächsten Morgen beim Blick in die AZ feststellen konnte.
Das Schicksal der Hausbesetzer war über Nacht ins zweite Glied gerückt. Der Aufmacher im Lokalteil hatte den Tod eines Fußballfans zum Thema. Wie ich las, war der Niederländer tot in einem Zugabteil auf einem Abstellgleis am Aachener Hauptbahnhof gefunden worden. Der Sonderzug hatte nach dem Fußballspiel in Mönchengladbach die Anhänger von Roda Kerkrade bis nach Herzogenrath gebracht und war dann weiter nach Aachen gefahren. Offensichtlich war der Mann während der Zugfahrt erstochen worden. Augenzeugen der Tat hatte es in dem proppevollen Zug anscheinend nicht gegeben. Dies war jedenfalls der Stand zu Beginn der polizeilichen Ermittlungen. Ein Schaffner wurde von der AZ mit der Bemerkung zitiert: „Das war ein großer Haufen grölender, betrunkener Skins.“ Auf einen Täter gab es nach dem Zeitungsbericht keinerlei Hinweise, eine Tatwaffe wurde nicht gefunden. Die Angaben zu dem Toten waren äußerst spärlich: ein Niederländer Anfang dreißig; mehr hatte die Zeitung nicht in Erfahrung gebracht.
Unpassend fand ich in dem Artikel den beiläufigen Hinweis, dass Kerkrade gegen Mönchengladbach gewonnen und damit das Endspiel um den UEFA-Cup erreicht habe.
Es habe nichts auf Krawalle in Mönchengladbach vor oder während des Spiels hingedeutet, berichtete die AZ. Erst nach Spielschluss müsse die Situation eskaliert sein. Deutsche Radikale hätten sich in den Sonderzug gedrängt und dort die Auseinandersetzung mit den niederländischen Fußballfreunden angefangen. Mit einer leichten Kritik an Polizei und Bahn, die nach der Vorgeschichte an der Grenze in Herzogenrath hätten gewarnt sein müssen, endete der Artikel.
Daneben stand ein Aufruf der Polizei, in dem sie Augenzeugen eindringlich aufforderte, sich zu melden. Die Ermittler tappten angeblich im Dunkeln, so hieß es jedenfalls; unter anderem wollten sie von den Zeugenwissen, ob der Tote allein oder in einer der Fangruppen unterwegs gewesen war.
Diese Frage verwunderte mich. Welche Gruppe würde schon ein Mitglied tot zurücklassen und klammheimlich verschwinden? Man hätte doch zumindest den Schaffner alarmiert, dachte ich mir.
Kurz entschlossen rief ich Böhnke an. Der Kommissar wunderte sich nicht einmal über meine Neugier. „Sie riechen das Verbrechen, Herr Grundler“, sagte er nur. „Wenn Sie mir nicht zuvorgekommen wären, hätte ich Sie angerufen.“
Damit machte er mich stutzig. „Wieso das denn?“, fragte ich. „Ist etwa etwas faul bei dieser Geschichte mit dem toten Niederländer?“
„Da ist wahrlich einiges nicht ganz in Ordnung“, antwortete Böhnke. „Um es kurz zu machen, bei dem Toten handelt es sich um den Mann, den Franz Loogen vor zwei Wochen angeblich erschlagen wollte.“
„Moment mal!“ Das war mir nun doch zu kurz und ging mir zu schnell. Da hatte mir Böhnke einen Brocken hingeworfen, den ich nicht so schnell verdauen konnte. „Was bedeutet das für Loogen?“, fragte ich laut.
„Der Tod seines vermeintlichen Opfers könnte ihn entlasten oder zumindest die Beweislage zu seinen Gunsten verändern“, antwortete der Kommissar unbefangen. „Ohne Zeugen, sprich, ohne Opfer, dürfte es der Staatsanwaltschaft schwer fallen, Loogen zu überführen, denke ich mir.“ Es werde nach dieser Entwicklung wahrscheinlich nicht einmal zur Hauptverhandlung kommen.
Damit konnte ich mich noch nicht zufrieden geben. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte ich an Böhnkes Worten. „Ich verstehe nicht, warum Sie plötzlich die Ermittlungen gegen Loogen auf Sparflamme köcheln lassen wollen“, sagte ich ihm.
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