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Blut klebt am Karlspreis

Blut klebt am Karlspreis

Titel: Blut klebt am Karlspreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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„Wenn’s sein muss“, sagte ich, „soll er ruhig kommen.“
    Ich beobachtete den jungen Mann, der ohne Nervosität mit mir verhandelte. Er schien von sich und seiner Absicht überzeugt und er machte mir nicht den Eindruck, als betriebe er ein hinterlistiges Spiel. Zur Yuppie-Generation gehörte er bestimmt ebenso wenig wie zur No-Future-Jugend. Müller würde zielsicher und beharrlich sein Leben gestalten, nicht angepasst, aber auch nicht aufmüpfig um jeden Preis. Er gehörte zu dem Teil der akademischen Jugend, auf die unsere Politiker stolz waren.
    Ich erhob mich aus meinem Sessel und streckte Müller die Hand zum Abschied. „Abgemacht. Um wie viel Uhr?“
    „Zwanzig Uhr, wenn’s recht ist.“ Der Student schien zufrieden. „Sie sind tatsächlich so, wie Sie mir von einer meiner Mitbewohnerinnen geschildert wurden“, sagte er und klärte mich sofort auf. „Das ist eine Noppeney. Sie hatten wohl einmal etwas mit ihrem Großonkel zu tun.“
    Ich musste lachen. „Dann sagen Sie ihr bitte, sie möge den Senior grüßen.“ Mit einem leichten Klaps auf die Schulter schob ich den Studenten aus dem Raum. Warum die Menschen immer alte Kamellen herauskramen mussten, dachte ich mir und war zugleich ein wenig stolz.
     
     
    Sofort rief ich die AZ-Redaktion an, in der mir der Reporter den abendlichen Termin bestätigte. „Wir sind fast schon Komplizen, Sie und ich“, sagte er vertraulich plump und machte es geheimnisvoll: „Vielleicht habe ich noch eine Überraschung für Sie.“ Mehr wolle er im Moment nicht sagen und ich steckte die Bemerkung als Angeberei weg.
    Nachdem ich am Nachmittag mehrfach vergeblich versucht hatte, bei der Staatsanwaltschaft wegen Franz Loogen nachzufragen, ging ich einigermaßen gespannt, aber zugleich auch etwas verärgert zur Monheimsallee; verärgert nicht nur wegen meiner erfolglosen Arbeit, sondern auch deshalb, weil Sabine mich bekochen wollte und ich ihr absagen musste. „Liebe geht durch den Magen“, hatte sie pragmatisch erklärt und den gefrorenen Spinat zurück in das Tiefkühlfach geschoben, als ich mich für den Abend schweren Herzens von ihr verabschiedete.
    Die Stimmung im Kreis der Wohngemeinschaft war zwiespältig. Einige der Hausbesetzer sahen mich mit unverhohlener Antipathie an, als ich mich in einem großen Zimmer zu ihnen gesetzt hatte. Andere lächelten mich an, die meisten der fünfzehn Studenten schienen ernst und konzentriert.
    Das war schon eine kunterbunte Truppe, mit der ich es zu tun hatte. Vom Schlipsträger bis zum Althippie hatte sich alles versammelt, von der geschminkten Madonna bis zum zerzausten Flower-power-Girl reichte das Outfit der weiblichen Pendants. Aber offensichtlich kam die multikulturelle Gesellschaft gut miteinander aus. Sie hatte es sich gemütlich gemacht in dem Gemeinschaftszimmer, viele Teppiche bedeckten den Boden, auf etlichen kleinen Tischen zwischen den Sofas und Sesseln standen Kerzen. Sie würden in der hereinbrechenden Dunkelheit für ein spärliches Licht sorgen. Mit dem Gestank der Räucherstäbchen konnte sich meine Nase noch einigermaßen anfreunden, dass aber auch noch der Duft von Haschisch durch den Raum schwebte und manche Bierflasche und manches Weinglas durch die Reihe kreisten ließ mich vorsichtig werden. Mit zunehmendem Konsum der Rauschmittel konnte manch einer meiner Gesprächspartner vielleicht die Beherrschung verlieren.
    Es konnte wahrlich nicht in meinem Sinne sein, dass die heikle Angelegenheit eskalierte. ,Zu verlieren habe nur ich, die Hausbesetzer stehen ohnehin mit dem Rücken zur Wand’, dachte ich mir, während ich schweigend auf den Journalisten wartete.
    Er tat gehetzt und geschäftig, als er mit einer kleinen Verspätung zu uns stieß. Der Mann in meinem Alter war nur mittelgroß und unscheinbar, auf der Straße würde ihn niemand als Reporter einschätzen. Das Augenfälligste an ihm war noch seine Brille, die entweder eine Nummer zu klein war, weil er immer darüber hinwegblickte, oder nur dazu diente, seine Knollennase etwas zu Kaschieren. Aber sie vermittelte jedenfalls den intellektuellen Anstrich, den der Journalist wohl gerne haben wollte. Es sei so viel los in Aachen und er wisse nicht mehr, wo ihm der Kopf stehe, entschuldigte er sich nichts sagend. Er grüßte mich mit einem flüchtigen Kopfnicken, ließ sich in den letzten freien Sessel fallen und sagte jovial: „Na, denn los. Worauf warten wir noch?“
    Über diese humoristische Einlage konnte niemand lachen. Ich bot mich an, aus

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