Blut klebt am Karlspreis
mit entschlossener Miene, was mich etwas verunsicherte. Doch sie beruhigte mich auf der Stelle mit einem betörenden Lächeln und dem Versprechen, mich am Wochenende am Seminarort in der Burg Wegberg zu besuchen.
Ein kleines Erfolgserlebnis hatte ich noch, bevor ich mich auf den Weg machte. Nach meiner Intervention hatten Staatsanwalt und Richter zugesagt, die Ermittlungen gegen Loogen zu intensivieren und den Zeugen vorzuladen. Sie stellten sogar eine Entlassung des Jungen aus der U-Haft in Aussicht für den Fall, dass der Zeuge tatsächlich nicht auffindbar sein sollte.
Wenn auch Franz Loogen immer noch in Heinsberg einsaß, so hatten seine Mutter und er wenigstens wieder eine Hoffnung auf ein Freikommen. Mehr konnte ich zum momentanen Zeitpunkt beim besten Willen nicht erreichen.
Wir waren alle eine Woche älter geworden. Mehr hatte sich allem Anschein nach nicht in meinem Umfeld geändert, als ich nach dem Seminar mit viel unnützer Theorie voll gestopft in die Kanzlei zurückkehrte. Auf der Zugfahrt von Rheydt nach Aachen hatte ich in der Gepäckablage eine Zeitung erwischt, in der ausführlich auf das Fußballspiel am Abend zwischen Mönchengladbach und Kerkrade hingewiesen wurde. Die Messer seien gewetzt, hieß es martialisch, die Fans hätten Rache geschworen für die Abreibung in Kerkrade. Die Polizei sei in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden.
Der tatsächliche Anlass des Geschehens, das Rückspiel zwischen zwei Fußballmannschaften, wurde gänzlich zur Nebensache. Der deutsch-niederländische Konflikt, den es gar nicht gab, wurde herbeigeredet und hochgeputscht. ,Nicht das Ereignis ist verwerflich, sondern die Art, wie das Ereignis unter das Volk gebracht wird’, dachte ich mir und ärgerte mich im Aachener Hauptbahnhof über eine Horde Skins, die mir in der Unterführung entgegenkam.
„Wir fahren nach Gladbach, Kaasköppe schlachten“, grölten sie in Vorfreude auf eine Prügelei. „Macht sie nieder, die Heintjes!“
Über diesen tumben Fanatismus erschrocken, lief ich zur Theaterstraße. ,Wie kann man nur diesem Schwachsinn Herr werden?’, überlegte ich mir, aber ich kam noch nicht einmal über das „man“ hinaus.
In der Kanzlei hatte ich keine Zeit mehr für derartige Überlegungen, denn Schulz überraschte mich mit dem nächsten Übel. „Kaum nähert sich der Herr Grundler unserer schönen Kaiserstadt, passiert hier das nächste Chaos.“ Statt einer von mir erwarteten herzlichen Begrüßung bekam ich von meinem Chef eine seiner boshaften Nettigkeiten an den Kopf geworfen. Worin dieses Chaos bestand, machte er mir sehr schnell klar: „Deine studentischen Hausbesetzer sitzen seit der letzten Nacht im Dunkeln. Irgendjemand hat heimlich die Hauptstromleitung demoliert. Da läuft kein Funken Elektrizität mehr ins Haus.“
Ich verschwieg Dieter besser, dass ich eine derartige Schweinerei schon längst geahnt hatte. Mithin konnte er mich mit dieser Mitteilung nicht erschrecken. „Was brauchen die Jungs Strom? Wir haben doch schon fast Sommer und es ist Grillzeit“, kommentierte ich trocken, um sachlich zu fragen: „Täter bekannt? Welche Vorgehensweise? Was macht die STAWAG?“
Dieter zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen?“ Er kannte nur die Tatsache, auf die ihn der AZ-Reporter am Vormittag angesprochen hatte. „Er wollte von mir eine Stellungnahme, die ich ihm aber schuldig bleiben musste. Ich habe den guten Mann vertröstet und gesagt, dass du ihn heute noch anrufen würdest.“ Entschuldigend lächelte mich mein Freund an. „Das ist doch besser, als ihm irgendwelchen Stuss zu verzapfen. Oder?“, rechtfertigte er sich.
Ich stimmte Dieter zu, obwohl ich wahrscheinlich auch nur leere Worthülsen abliefern würde.
„Übrigens“, setzte mein Freund süffisant einen Schlusspunkt, bevor er aus meinem Büro verschwand, „auch die anderen Medien wollen mit dir über die Angelegenheit sprechen. Am liebsten heute noch.“
Als wenn ich nichts anderes zu tun hätte, brummte ich vor mich hin, derweil ich die Telefonnummer des AZ-Reporters eintippte.
Er schien richtig erfreut, mich wieder zu hören. ,Was hat der bloß ohne mich gemacht?’, fragte ich mich.
„Endlich ist etwas los in der Stadt. Sie sind ja wieder da, Herr Grundler“, sagte er froh gelaunt.
„Was ist überhaupt Sache?“, unterbrach ich ihn abrupt. „Ich weiß nichts und kann deshalb auch nichts sagen.“ Er möge mich gefälligst aufklären. Ich spürte, dass dem
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