Blut klebt am Karlspreis
ließen vielleicht auch ab und zu eine Fünf gerade sein. Der große, schlanke Mann gab sich fast immer ruhig und bedächtig. Nur seine flink umherblickenden Augen verrieten die Aufmerksamkeit, mit der er seine Umgebung beobachtete. Es war bestimmt nicht einfach, ihn zu überlisten. Böhnke tat zwar harmlos, für mich war das aber nur eine trügerische Verkleidung, mit der er von sich ablenken wollte. Er wusste genau, was er tat und was er wollte. „Wir müssen auf so viele Dinge achten, damit ist einer allein total überfordert“, sprach Böhnke weiter. Er ließ sich nicht davon beirren, dass ich ihn musterte.
„Dann gibt es doch bestimmt eine Sonderkommission bei der Polizei und bewährte Einsatzpläne?“, fragte ich. „Oder hängen Ihre Bemühungen etwa vom jeweiligen Karlspreisempfänger ab?“
„Natürlich nicht“, beeilte sich Böhnke zu antworten. „Wir haben unsere Erfahrungswerte aus den Vorjahren mit allen Verbesserungen, die wir jedes Mal noch vornehmen können und wir haben eine außerordentlich erfahrene Einsatzleitung“, sagte er schmunzelnd.
Warum er schmunzelte, wurde mir sofort klar. „Ich, sagt der Jeck, ich bin der Chef vom Ganzen“, sagte Böhnke lapidar, als wäre er zum Bewacher eines Ameisenhaufens ernannt worden, um eilig hinzuzufügen: „Und selbstverständlich thront über allem unser ehrenwerter Polizeipräsident, dessen Weisungen ich treu und gehorsam Folge leisten soll.“
„Haben Sie denn irgendwelche Anzeichen, dass es in diesem Jahr Komplikationen geben könnte?“, hakte ich nach, „oder verläuft die Vorarbeit wie alle Jahre wieder? Immerhin gehört ja der britische Premier fast schon in eine, jedenfalls für Europa, extrem linke Ecke.“ In der Anfangsära des Karlspreises wäre ein derartiger Politiker garantiert nicht in den Genuss der respektablen Auszeichnung gekommen, vermutete ich für mich, während ich Böhnke beobachtete.
Ich glaubte, in seinen Augen ein kurzes Flackern bemerkt zu haben, doch reagierte er gewohnt souverän. „Es gibt bislang keine Probleme und wenn es welche geben sollte, werden wir sie rechtzeitig lösen. So einfach ist mein Job.“ Böhnke nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und sah mir ins Gesicht. „Drohungen und Hinweise auf ein geplantes Attentat hat es in all den Jahren, in denen ich mit den Sicherheitsmaßnahmen betraut bin, immer wieder gegeben. Das gehört fast schon zum alljährlichen Ritual. Aber die Drohungen sind nur heiße Luft, die sich sehr schnell abkühlt.“ Er musterte mich intensiv. „Wie kommen Sie überhaupt zu dieser Frage, Herr Grundler?“
Ich winkte ab. „Ach, das war nur so gefragt.“ Ich lächelte schwach. „Sie wissen doch, dass ich das Verbrechen magisch anziehe.“
„Mit der Konsequenz, dass es in diesem Jahr ein Attentat geben wird, weil Sie daran denken?“, unterbrach der Kommissar mich ironisch.
Ich nahm Böhnke die Ironie nicht übel. „Vielleicht habe ich aber ein tatsächliches Verbrechen für Sie“, wechselte ich das Thema. Aus meiner Lederjacke holte ich eine Kopie des Drohbriefes und reichte sie ihm über den kleinen Tisch. „Das sieht nach Nötigung, Betrug oder wer weiß was aus und ist im Zusammenhang mit einer Sachbeschädigung zu sehen.“
Der Kommissar nickte verständnisvoll mit dem Kopf und las interessiert das Schreiben. Wieder schien es mir, als hätte ich ein leichtes Flackern in seinen Augen erkannt. „Das ist ja der Gipfel“, kommentierte er. Ob er die Kopie behalten dürfe, bat er mich und legte das Blatt auf seinem Schreibtisch ab. „Sie wollen wahrscheinlich Strafanzeige erstatten?“
„Ich, die Studenten und obendrein der Hauseigentümer“, bestätigte ich.
„Bringt das denn etwas?“ Wie ich schon vermutet hatte, sah Böhnke wenige Anhaltspunkte für eine Erfolg versprechende Ermittlung. Zwar werde er seine zuständigen Kollegen auf den Fall ansetzen, aber viel werde nicht zu erreichen sein. „Das ist wohl bedauerlicherweise wahr“, pflichtete ich ihm bei. Mir käme es aber unabhängig von einem Erfolg auch auf die psychologische Wirkung der Strafanzeige an. Vielleicht ließen sich die Unbekannten einschüchtern. Ein anderer Effekt war mir allerdings viel wichtiger. „Hier zeigen die Studenten und Brandmann eine unbeabsichtigte, aber doch erforderliche Solidarität. Das kann eventuell die Lage zwischen den beiden Parteien etwas entkrampfen.“
Böhnke erhob sich mit einem leichten Lächeln und ging zum Fenster. Nachdenklich blickte
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