Blut klebt am Karlspreis
sah Böhnke schließlich fragend an: „Und daraus schließen Sie, dass es dort ein Attentat gibt?“
„Nein“, korrigierte mich der Kommissar, „daraus schließe ich, dass ein Attentatsversuch beim Karlspreis nicht unbedingt auszuschließen ist.“
Ich konnte seine Vorsicht verstehen und dankte ihm, dass er mich ins Vertrauen gezogen hatte.
„Das geschieht nicht ganz uneigennützig“, gestand Böhnke freimütig ein, „wie Sie sich denken können.“
„Ist mir sonnenklar“, knurrte ich. „Aber dann ist es ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Ich schaue, ob ich über die Studenten an die Briefeschreiber komme und Sie halten die Augen in der angeblichen oder tatsächlichen rechten Szene offen.“ Ich sah den Kommissar mit festem Blick an. „Es ist wohl selbstverständlich, dass wir alle Informationen austauschen.“
Böhnke hielt meinem Blick stand. Er prostete mir zu und sagte: „Selbstverständlich, Herr Grundler.“ Ich blickte durch das Lokal, in dem vornehmlich junge Menschen aßen, tranken, redeten und zu meinem Leidwesen auch größtenteils rauchten. Sie schienen uns keine Bedeutung beizumessen wie auch wir ihnen keine Beachtung schenkten.
„Wie ist der anonyme Schreiber eigentlich an die Namen der Studenten gekommen?“, fragte mich Böhnke. „Gute Frage“, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. „Keine Antwort, Ersatzfrage bitte!“
Der Kommissar musste grinsen. „Und wie kommt Ihre Unterschrift auf das Papier?“
„Nichts ist leichter als das.“ Meine Erklärung war anscheinend so plausibel, dass sogar Böhnke sie auf Anhieb verstand. Ich wunderte mich selbst, dass ich die technischen Informationen der Studenten so gut in Erinnerung gehalten hatte und weitergeben konnte.
Böhnke stand auf. „Es wird Zeit für mich zu gehen. Meine Freundin wartet auf mich.“ Er reichte mir die Hand. „Was sind Sie nur für ein Mensch, Herr Grundler? Sie ziehen tatsächlich das Verbrechen an.“
Ich winkte müde ab. Ich wollte nur noch schnell in meine Wohnung, zu Sabine und in ihren Armen vergessen, was Böhnke mir berichtet hatte. Und vor allem wollte ich vergessen, dass ich mich immer tiefer in eine Angelegenheit verstrickte, mit der ich nichts zu tun haben wollte.
Sie könne mich nicht bedauern, meinte meine Liebste. „Du steckst überall ungefragt deine Nase hinein und wunderst dich dann über die Probleme, die sich auftun.“ So sei es nun gerade nicht, widersprach ich. Ich fände es aber unerträglich, wenn jemand meinen Namen missbrauche. „Wenn ich mir vorstelle, dass vielleicht die Typen, die die Studenten aufmischen wollen, auch die sind, die an den Krawallen an der Grenze beteiligt waren, dann wird mir verdammt übel.“ Da könne ich mich nicht zurückhalten. „Ich muss wissen, was dahinter steckt.“
Barrikaden
Wenige Tage nach dem Gespräch mit Böhnke erhielt ich in der Kanzlei eine Mitteilung des Amtsgerichts, in der eine Zwangsräumung des Hauses in der Monheimsallee für rechtens erklärt und die Räumung angeordnet wurde. „Was bedeutet das?“ Schnarrend fragte mich Brandmann, der am Morgen mit dem Zug nach Aachen gekommen war. Jetzt saß er selbstsicher vor mir in meinem Büro und hatte aufmerksam das Schriftstück gelesen.
Ich hatte den Mann derweil kritisch gemustert. Brandmann war vielleicht Mitte fünfzig, drahtig, breitschultrig, hatte einen entschlossenen, fast schon Furcht erregend bösen Blick und trug sein graues Haar zu kurz geschoren. Seine klaren Augen huschten unentwegt umher. ,Der beobachtet alles’, dachte ich mir in meinem Vorurteil.
Ich konnte nicht anders. Für mich war der ehemalige Offizier ein rotes Tuch. Der Typ gefiel mir einfach nicht. Der war bestimmt aalglatt und ging kompromisslos vor, um sein Ziel zu erreichen, unterstellte ich ihm.
„Das bedeutet“, antwortete ich betont ruhig, „dass Sie nunmehr zu jeder Tages- oder Nachtzeit die Studenten aus Ihrem Haus herausschmeißen lassen dürfen. Wenn’s sein muss, sogar mit polizeilicher Gewalt.“
„Immer langsam mit den jungen Pferden.“ Brandmann hatte beschwichtigend die Hände gehoben. „Wir wollen es zunächst auf die gütliche Art versuchen.“ Er sei gerne bereit, zu den Studenten zu gehen und mit ihnen zu verhandeln, verkündete er zu meinem Erstaunen. „Es gibt nur einen einzigen Punkt, an dem wir nicht rütteln können. Am Freitag, dem fünfzehnten Mai, muss die Hütte leer werden.“ Wegen der Bauarbeiter, wie er fast schon entschuldigend
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