Blut Licht
nachkommt. Er ließ vor zwei Tagen die Konserve stehen und hat seit dem keine weiteren mehr angerührt. Anfangs dachte ich, er hätte es versäumt oder sich anderweitig versorgt. Doch weil du es nun erwähnst, gehe ich davon aus, dass Methode dahinter steckt. Auf der anderen Seite wirkt er keineswegs entkräftet oder gar kränklich, so dass wir uns ernstliche Sorgen um ihn machen müssten. Viel mehr glaube ich an einen Entwicklungsprozess, eine tatsächliche Veränderung seines Organismus. Womit das allerdings zusammenhängt, kann ich dir nicht sagen.“
Sie hatte es also selbst mitbekommen. Allerdings hatte ich bei ihren Worten nicht den Eindruck, als wolle sie die Vorgänge herunterspielen. Eher sprach nüchterne Logik aus ihr, die mir in Bezug auf Darian permanent abhandenkam. War ich überbesorgt?
„Wovon lebt er, wenn das Einzige, was er zu sich nehmen kann, das ist, wogegen er plötzlich allergisch reagiert?“, rätselte ich laut und erhielt wohl genau die Antwort, die mütterliche Freundinnen geben würden: „Du solltest ihn danach fragen, Kind.“
Und genau hier lag die Problematik. „Ich habe es bereits versucht. Er blockt ab und spielt es runter, Ernestine.“
Sie lächelte. „Dann hast du nicht die richtigen Fragen gestellt. Vergiss nicht: Trotz allem, was er verkörpert, ist er in erste Linie ein Mann, und die machen bekanntlich nicht viele Worte, wenn es um ihre eigenen Befindlichkeiten geht. Sie wollen ihre Liebsten schützen. Wenn das mit dem Verschweigen wichtiger Details einhergeht, dann wenden sie genau das an.“
Ich sah sie frustriert an. „Das sind ja glorreiche Aussichten. Was rätst du mir?“
„Sprich mit ihm, wenn ihr Ruhe und ein wenig mehr Zeit habt. Vielleicht auf dem Flug nach Basrah. Oder später, im Bett. Dort bereden dein Vater und ich übrigens auch all das, was uns gegenseitig bedrückt. Glaube mir, es funktioniert hervorragend.“
Ihr Zwinkern ließ mich erahnen, dass diese Gespräche nicht mit Händchen haltendem Einschlafen endeten. Doch vermutlich war ihr Vorschlag genau die Alternative, die notwendig war, um von Darian tatsächlich etwas Brauchbares zu erfahren. Zwischen Tür und Angel zumindest ging es schief-wie ich inzwischen mehrfach erleben durfte.
„So.“ Noch einmal drückte sie meine Hände und rutschte dann von mir ab. „Jetzt lass uns noch ein Weilchen die Sonne genießen, während die Herren der Schöpfung sich über dem Pergament die Köpfe zerbrechen. Wir werden für die Rückreise noch packen müssen und das Essen mit deiner Mutter steht auch noch an. Du willst ihr doch sicher nicht unfrisiert und im Räuberzivil entgegen treten, oder?“
Oh nein, ganz gewiss wollte ich das nicht. Ich trank noch einen Schluck Kaffee, streckte mich auf der Decke aus und hielt mein Gesicht der Sonne entgegen. Und obwohl meine Gedanken weiterhin in Aufruhr waren, fühlte ich das Gewicht meiner Bedenken weitaus leichter an als noch Minuten zuvor.
Kapitel dreiunddreißig
D as Ereignis des Jahres oder der Gang zum Schafott?
So genau konnte ich mein Gefühl nicht definieren. Eines aber war unverkennbar: Dermaßen nervös war ich selbst an meinem Hochzeitstag nicht gewesen.
Weil meine mitgebrachte Garderobe ziemlich spärlich war und ich keine Lust hatte, die letzten zwei Stunden durch die Geschäfte zu streifen, um mich muttertauglich präsentieren zu können, entschied ich mich für Jeans und ein weißes, ärmelloses T-Shirt, das ich mit einem von Ernestine geliehenen bunten Tuch farblich ein wenig aufpolierte. Dazu trug ich meine ausgelatschten, superbequemen Sneakers. Die Haare hatte ich gebändigt bekommen und sogar ein wenig Wimperntusche und Kajal aufgelegt. Der prüfende Blick in den Spiegel erlaubte zwar keinen großen Auftritt, zeigte jedoch ein recht ansehnliches Erscheinungsbild.
Meine Entscheidung wankte ein wenig, als ich das Bad verließ und Darian vorfand. In welcher Reisetasche der perfekt sitzende, sommerliche Anzug aus beigefarbenem Leinen gesteckt hatte, den er mit einem weißen T-Shirt kombinierte, war mir unbekannt. Auch diese hellbeigefarbenen Slipper an seinen Füßen waren mir fremd. Ich zumindest hatte beides nicht für ihn eingepackt.
„Du siehst zauberhaft aus, Liebling“, begrüßte er mich mit einem Lächeln und einem Kuss.
„Und du überaus attraktiv“, entgegnete ich, zupfte einen Faden von seinem Sakko und trat dann von ihm zurück. Während mein Blick unruhig durch das Appartement irrte, fügte ich hinzu: „Wollten Dad und
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