Blut Licht
Teil seines Tellerinhalts verspeist hatte, aber ich war es nicht. Mehr als zuvor war ich besorgt und hoffte darauf, mir den möglichen Ansatz von grauen Haaren vergeblich verdient zu haben.
Unterdessen schienen Ernestine und meine Mutter einen gemeinsamen Nenner gefunden zu haben, denn schon während des Hauptgangs hatten sie begonnen, sich angeregt über diverse Themen zu unterhalten, die Frauen in diesem Alter berührten. Nun waren wir bei der Nachspeise angelangt, und inzwischen wetteiferten sie spielerisch um die Gunst meiner Tochter, der sie die ganze Zeit über diverse Leckereien zuschanzten. Wieder einmal zeigte es sich, dass Kinder in ihrer Zuneigung unbestechlich waren. Lilianna nahm, was sie kriegen konnte und machte dabei keinerlei Unterschiede, von welcher Hand es gereicht wurde. Braves Kind. Insgeheim konnte ich nur darum beten, dass sie alles bei sich behielt-ganz wie ihr Vater.
„Du bist erstaunlich ruhig. Sorgen?“, hörte ich meinen Nachbarn zwischen zwei Löffeln Schokolade murmeln und sah ihn Unwissenheit heuchelnd an. „Ach was. Das scheint nur so, Frederico. Ich freue mich darüber, dass ihr gekommen seid und es Mutter offensichtlich gut tut. Schau, wie gut sie sich mit Dads Partnerin versteht. Darauf hatte ich gehofft.“
„Du hast es also bemerkt. Es geht deiner Mutter heute bemerkenswert gut.“
Ich warf ihm einen verwunderten Blick zu. Was meinte er damit?
Er fing meinen Blick auf, erwiderte ihn und wies dabei kaum merklich mit seinem Löffel auf meine Mutter. „Seit Jahren ist sie wegen ihrer angeschlagenen Psyche in Therapie, Faye. Der Tod deiner Schwester war für sie ein herber Rückschlag. Langsam geht es wieder aufwärts. Euer Besuch erweist sich als ein wahrer Segen. Schau sie dir an, sie blüht regelrecht auf. Ich habe sie seit Jahren nicht mehr so glücklich und gelöst erlebt.“
Das war demnach die Antwort, auf die ich gewartet hatte. Zwar fiel sie anders aus als erhofft, doch konnte sie mich nicht wirklich verwundern.
„Ich wusste nichts davon, Frederico“, gestand ich leise und legte meine Hand mitfühlend auf seinen Arm. „Danke, dass du es mir gesagt hast. Das macht ihre Reaktionen verständlicher. Kannst du mir mehr dazu sagen?“
„Wenn du möchtest, halte ich dich über ihren Therapieverlauf auf dem Laufenden“, bot er an.
„Ich hoffe nur, sie wird deswegen nicht böse auf dich sein.“
Er zwinkerte mir listig zu. „Sie muss es nicht erfahren. Ich habe deine E-Mail-Adresse und schicke dir die Nachrichten vom Büro aus.“ „Einverstanden.“ Ich nahm meine auflachende Mutter kurz in Augenschein, ehe ich Frederico wieder ansah. „Machen wir es so. Lass dich bloß nicht erwischen.“
„Da sie mein Büro selten betritt, ist die Gefahr überaus gering.“ Wir grinsten einander wie zwei Verschwörer an und fuhren gleichzeitig ertappt zusammen, als die Stimme der Naturgewalt fröhlich trällernd über uns hereinbrach: „Na, ihr Zwei. Was heckt ihr gerade aus? Lasst uns daran teilhaben.“
Da mir vor Schreck die Worte fehlten, musste er uns retten, was er äußerst diplomatisch hinbekam. „Wir arbeiten am harmonischen Gedeihen unseres Stieftochter-Stiefvater-Verhältnisses, bella. Und ich glaube, wir sind darin recht erfolgreich.“
„Zweifellos sind wir das“, fiel ich beinahe überhastet ein und umfasste erneut seine Hand. Vermutlich wäre es sinnvoller gewesen, zuerst den Löffel wegzulegen, denn die damit transportierte, braune Schokolade kleckste recht unharmonisch auf den Stoff seines hellen Hemdsärmels. Mein Rettungsversuch endete in einem Desaster und das Resultat erinnerte mich entfernt an die Flecken auf dem Fell einer Holsteiner-Kuh.
Frederico nahm es mit Humor. „Kleine Sünden werden wohl sofort bestraft. Ich könnte das Hemd braun färben lassen, dann fällt es weniger auf.“
„Oder du wäschst die Schokolade mit Milch aus“, kam es von meinem Vater und sämtliche Blicke blieben verwundert an ihm kleben. Ungerührt zuckte er mit den Schultern. „Was ist? Wozu gibt es das Internet? Außerdem habe ich jahrelang meine Wäsche allein gemacht. Da lernt man so nützliche Dinge eben.“
„Falls ich entsprechende Fragen habe, kann ich mich sicherlich an dich wenden“, grinste Alistair und Dad feixte: „Nur zu. Vermutlich wird mein Wissen gleich weiter benötigt, denn der Saft von der Passionsfrucht geht schlecht raus, nachdem kleine Kinderhände diesen auf weiße Blusen verteilt haben.“
Ernestine quietschte erschrocken auf und
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