Blut Licht
auf Darian konzentrieren und herausfinden, ob alles in Ordnung war. Vermutlich sollte ich sogar ein wenig mehr auf Distanz zu Rahid gehen, auch wenn Darian ihm ganz offensichtlich ein gewisses Vertrauen entgegen brachte. Ich sollte garantiert etwas anderes tun als hier zu stehen und dem weißhaarigen Vampir Brandlöcher in den Rücken zu starren. Aus einem mir unbegreiflichen Grund konnte ich nicht anders.
„Welche Schuld?“, kam es schneller über meine Lippen, als ich diese neugierigen Biester davor verschließen konnte. Mist!
Rahid hatte nur darauf gewartet. In aller Ruhe legte er das Tuch in eine Wasserschale und drehte sich wieder zu mir um. Unter Jasons interessierten Blicken erhob er sich, trat dicht vor mich und fragte: „Was weißt du über Clansehre, Mrs. Knight?“
Eindeutig zu wenig. „Erkläre es mir.“
„Den Mitgliedern meines Clans ist es nicht gestattet, einander zu töten. Einzig ein, von den Alten im Elysium gefälltes Urteil darf und kann dieses ungeschriebene Gesetz außer Kraft setzen. Ein solches Todesurteil wird aber nur ausgesprochen, wenn das begangene Vergehen dermaßen gravierend ist, dass zu dessen Beilegung kein anderer Ausgleich erbracht werden kann als der Tod. Erst dann darf ein Clansmitglied durch die Hand eines anderen sterben - durch Enthauptung. Deinem Mann ist dieses Gesetz gleichermaßen bekannt wie dem jungen Burschen, der mit dem Tode ringt.“ Er ließ die Worte wirken, ehe er eindringlich fortfuhr: „Geshme war es ebenfalls bekannt und doch setzte sie sich darüber hinweg, aus Eigennutz und Rache. Ihr Tod ist konsequent, doch bleibt ihre Schuld an mir haften, weil ich sie nicht unter Kontrolle gehalten habe. Somit bin ich schuldig, wenn euer Freund an den Folgen des Handelns meiner Brut sterben wird.“
Himmel, was für eine verwinkelte Denkweise. Und so gnadenlos überaltert. Dennoch verstand ich die Zweckmäßigkeit dahinter. Es diente dem Clan zum Schutz gegen innere Zwistigkeiten und zerstörerische Intrigen. Eigentlich recht praktisch, wenn ich es genauer betrachtete.
Mein Blick streifte Jason und ich konnte an seinem Gesicht ablesen, dass ihm diese Gesetzmäßigkeiten durchaus geläufig waren. Schick. Hätte er mich nicht aufklären können?
„Also gut“, meinte ich schließlich und trat um Rahid herum, um zu dem Haufen zu gelangen, zu dem wir unser Gepäck aufgestapelt hatten. Ich suchte bereits Darians und meinen Gepäcksack, als ich innehielt.
Dank Darians Zuspruch wusste ich, dass ich meinen Geist ohne Federn losschicken konnte. Daher schien es mir ein unnötiges Wagnis zu sein, sie dennoch zu benutzen und Rahid somit meine Trümpfe zu offenbaren. Folglich ließ ich mich direkt neben dem Gepäckhaufen nieder, faltete die Hände und konzentrierte mich auf meinen Mann.
So schnell hatte es mich noch nie durch die Gegend katapultiert. Mir war, als hätte die Anwesenheit der Federn für eine gemächliche Reisegeschwindigkeit gesorgt, was nun aber fehlte. Ich hatte kaum Zeit mich zu orientieren oder auf das Ziel einzustellen. Von jetzt auf sofort war ich da- und klatsche mit Volldampf gegen ein unsichtbares, leicht gewölbtes Hindernis. Jeder Comiczeichner hätte seine wahre Freude daran, wie ich mit ausgebreiteten Armen und meiner rechten Wange, an etwas Durchsichtiges gepresst, hinabrutschte, bis meine Füße den Boden erreichten, unter mir wegknickten und mein
Hinterteil schließlich unsanft auf spitzen Steinen landete. Gott, wie peinlich. Hoffentlich hatte mich niemand gesehen.
Mein Wunsch war vergebens, denn noch während ich diese Wand behutsam abtastete, löste sie sich unter meinen Handflächen abrupt auf und ich kippte vornüber. Geistesgegenwärtig fing ich mich mit ausgestreckten Armen ab, ehe ich wie eine verhinderte Primaballerina mit dem Gesicht voran in den Dreck fiel. Während ich mich in eine hockende Position brachte, sah ich mich aufmerksam um. Da sah ich ihn. Schlagartig stand ich aufrecht.
Gut dreißig Meter von mir entfernt kniete Darian mit gesenktem Kopf inmitten eines wadenhoch aufgeschichteten Steinkreises. Vor ihm und jederzeit mit einem schnellen Griff erreichbar, steckte das japanische Langschwert im Boden, als wolle er dadurch seine Waffenlosigkeit erklären. Nur kurz stieg in mir die Frage auf, wo er das Katana die ganze Zeit über versteckt hatte. Vermutlich dermaßen gut getarnt, dass niemand - selbst ich nicht - es entdecken konnte. Was immer er dort tat, sprach oder dachte, mehr als ein entferntes Beobachten war mir
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