Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blut Licht

Titel: Blut Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abrantes
Vom Netzwerk:
Haar. Eindeutig Naturlocken. Es wäre eine Schande, diese
    „Keine umständlichen Reden“, unterbrach ich ihn flüsternd. „Gerade heraus, ich bin nicht aus Zuckerguss.“
    „Also gut.“ Ein weiteres Seufzen, dann hob er eine meiner Strähnen an und halbierte sie optisch mit zwei Fingern. „Mindestens das müsste runter. Die Struktur ist sehr in Mitleidenschaft gezogen. Abgesehen von Ihren Locken haben Sie keinerlei Schnitt im Haar. Vielleicht ein wenig mehr Farbe ...“
    Meine erhobene Hand stoppte seinen Redefluss und ich nickte ihm nach seinem Verstummen zu. „Ich habe Sie schon verstanden, Simon. Wissen Sie was? Toben Sie sich aus. Aber bitte nicht kürzer als bis zur Schulter. Einen Zopf möchte ich zumindest noch machen können. Und was die vorgeschlagene Farbe betrifft, so möchte ich meine behalten. Ich mag den Fuchs.“
    Seine Miene wurde weich, ein Zucken umspielte seine Mundwinkel und in seine Augen trat jenes kreative Funkeln, das alle Künstler erfüllte, wenn sie freie Hand erhielten. „Wie wäre es, wenn wir ein paar Akzente setzen? Strähnchen in einer etwas dunkleren Farbe. Mittelbraun? Ebenfalls würde ich eine leichte Stufung empfehlen. Eventuell die Locken etwas bezähmen.“
    „Dann los. Ich begebe mich vertrauensvoll in Ihre Hände und bin gespannt, was dabei herauskommt.“
    Ich erhielt einen schwarzen Kittel, den er zunächst schwungvoll wie eine Decke über mich breitete und dann hinten verschloss. Ein weißes Handtuch landete auf meinen Schultern, dann stand wie aus dem Nichts eine kleine asiatisch wirkende Assistentin neben ihm und bat mich zu dem Bereich, in dem die Haarwäsche stattfand. Nach einer ausgiebigen Kopfmassage und einem duftenden Waschvorgang hockte ich mit einem weißen Turban wieder auf meinem Stuhl und harrte der Dinge, die da kommen würden.
    „Bereit für Neues?“ Simon grinste mir im Spiegel entgegen und nahm mir das Handtuch ab. Noch war ich guter Dinge. Während er mir das Haar auskämmte und einige Partien hochsteckte, hatte ich ein gutes Gefühl. Doch als die ersten, langen Strähnen seiner Schere zum Opfer fielen, beschlichen mich Zweifel an meinem Tun. Recht schnell bildete sich um mich herum auf dem Boden ein Haarteppich und nach einer Weile mochte ich gar nicht mehr hinsehen.
    Ich musste mir eingestehen, dass Mutter Courage inzwischen ein wenig Fracksausen bekam, dennoch bezwang ich meinen Fluchtdrang, indem ich unter dem Kittel versteckt meine Hände auf meine zitternden Knie presste. Der Verdacht, in Kürze mit einer Glatze dieses Etablissement zu verlassen, erhärtete sich mit jeder weiter abgeschnittenen Haarlänge.
    Ein zweiter Kaffee erwies sich gegenüber meiner Nervenstärke als destruktiv, doch unfertig aus dem Geschäft zu rennen, war wenig sinnvoll. Also bezwang ich meinen Wunsch nach überstürzter Flucht und schloss die Augen in der Hoffnung, entspannt zu wirken. Allerdings durfte ich umgehend feststellen, dass diese List bei einem altgedienten Friseur kaum funktionierte.
    „Seien Sie unbesorgt, Faye. Ich verspreche Ihnen, dass Sie nicht enttäuscht sein werden. Und ich wette mit Ihnen, dass Sie sich anschließend kaum wiedererkennen werden.“
    Dessen war ich mir sicher. Inzwischen mehr denn je. Zumal sein letzter Satz genau das Gegenteil zur eigentlichen Absicht bewirkte. Garantiert stand meine Sorge nun auf meiner Stirn geschrieben wie die Reklameleuchtschrift auf dem Times Square. Ich verpackte meine Bedenken in bemühte Leichtigkeit: „Stellen Sie sich als Sparringspartner zur Verfügung, insofern dies nicht der Fall sein sollte, Simon?“ Über eine Strähne hinweg lächelte er mir im Spiegel zu. „Dafür haben wir unsere Auszubildenden, Faye. Sie dürfen sich einen aussuchen.“ Die Schere schnappte zu und weitere dreißig Zentimeter jahrelangen Wachstums fielen zu Boden.
    Ich schloss erneut die Augen und nahm mir vor, sie nicht mehr zu öffnen, bevor er nicht fertig war. Ein geballter Schock am Ende erschien mir derzeit weitaus gesünder als bruchstückhaftes Erschrecken mit fantasievoller Ausmalung dessen, was eventuell eintreten könnte. So verbat ich mir weiteres Hinsehen, konnte jedoch die Farbe, mit der mein Haar akzentuiert wurde, durchaus riechen.
    Als ich unter einer Haube hockte, machte sich Kim über meine Fingernägel her. Zumindest hierbei musste ich mir keine Sorgen um ungewollte Veränderungen machen. Sie feilte und polierte, während ich dem Brummen der Lüftung lauschte. Haube und Maniküre waren gleichzeitig

Weitere Kostenlose Bücher