Blut Licht
Dad hatte auf wundersame Weise seine Stimme zurück und fuchtelte triumphierend in Alistairs Richtung mit seiner Gabel herum. „Jetzt hat es dich auch erwischt. Das ist nur gerecht, mein Sohn.“
„Klar werde ich euch begleiten", entgegnete mein Bruder und lächelte wölfisch meinem Vater zu. „Und sei es nur, um hinter dir zu bleiben und dich anzutreiben, damit du dich nicht heimlich verdrückst.“
„Na, hör mal! Redet man so respektlos mit seinem Vater?“, ereiferte er sich gespielt, gluckste verhalten und sah schließlich zu Ernestine. „Sag mir bitte, dass ich keine Laufschuhe hier habe, Schatz.“
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Keine Chance, mein Lieber. Die hatte ich zusammen mit deinem Trainingsanzug eingepackt.“
„Mist!“ Seine aus tiefstem Herzen stammende Äußerung ließ uns schallend auflachen.
Dann sah mein Bruder in Richtung Herd, wo Steven bereits seit geraumer Zeit über dem Topf gebeugt stand und sich eifrig den Geruch von Roastbeef zufächelte. „Sag mal, führst du da eine Aromastudie durch?“
„Das riecht so gut“, erhielt er die Antwort, wobei Steven seine Nüstern blähte und einen weiteren Aromaschub inhalierte. „Mann, es ist Jahre her, dass ich das gerochen habe. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie es schmeckt.“
„Wenn du mir in den Topf sabberst, junger Freund, setzt es was mit der Kelle“, warnte Ernestine durchaus ernst gemeint und langte gleichzeitig nach einem Teller. „Du kannst ja ein Stück probieren.“
Bedauernd hob Steven eine Hand. „Geht nicht. Ich kann keine feste Nahrung aufnehmen.“
„Dann nuckele doch dran“, warf mein Bruder ein und grinste ob Stevens grimmigem Blick von einem Ohr zum anderen.
„Sei nicht so fies zu ihm, Sohn. Zu wissen, dass man solche
Köstlichkeiten nicht mehr verträgt, ist eine Sache. Das aber zusätzlich unter die Nase gerieben zu bekommen, ist unfair“, wandte Dad ein und erntete umgehend einen Blick voll von Dankbarkeit.
Alistair und ich sahen einander erstaunt an. Das waren ja völlig neue Töne. Hatte Dad Steven heimlich adoptiert? Es konnte sicher nicht allein an der Blutspende liegen, dass er ihm gegenüber derart sanftmütig war.
Als hätten wir zu laut gedacht, brummte Dad sich etwas von undankbaren Gören und Ähnlichem in den Bart. Dann stand er abrupt auf, legte die Gabel beiseite und stolzierte auf die Tür zu. „Ich werde mich schon mal umziehen. Wie es scheint, braucht ihr ja doch noch eine Weile.“
Die Tür fiel hinter ihm zu, wir vernahmen dahinter einen kurzen Wortwechsel, dann schwang sie wieder auf und Darian trat mit Lilianna auf dem Arm ein. Er orientierte sich kurz, stellte eine leere Trinkflasche in die Spüle und kam auf mich zu. Lilianna wechselte vom Arm ihres Vaters hinüber auf meinen Schoß. Während ich dafür sorgte, dass die Kartoffel von meinem Teller nicht in ihrer Hand landete, steuerte er die Kaffeemaschine an. Wortlos beobachteten wir, wie er die dampfende Flüssigkeit in eine saubere Tasse füllte und etwas Milch hinzufügte. Dann drehte er sich an die Arbeitsplatte gelehnt zu uns herum. Nachdem er einen Schluck genommen hatte, sah er in unsere perplexen Gesichter, zog seine Brauen hoch und fragte leichthin: „Was ist?“
„Du trinkst Kaffee!?“, brachte mein Bruder hervor.
Darian betrachtete die Tasse in seiner Hand als sähe er sie zum ersten Mal. Schließlich nickte er. „Ja, tatsächlich. Das ist Kaffee und ich trinke ihn.“
„Seit wann?“
Mein Mann seufzte. „Seit einigen Tagen. Erspare mir jetzt bitte Vorhaltungen deswegen. Mit denen hat mich deine Schwester bereits mehrfach überschüttet. Sei versichert, dass ich das Koffein gut vertrage.“ Sein Augenmerk fiel auf Steven und erneut huschten seine Augenbrauen in die Höhe. „Was treibst du da? Entweder probierst du etwas davon oder du verschließt den Topf. So jedenfalls kühlt das Roastbeef unnötig aus und ich glaube kaum, dass Jason seine Mahlzeit kalt genießen möchte. Ach, bevor ich es vergesse, Ernestine. Jason bittet mich, dir auszurichten, ihm das Essen eine Weile warmzuhalten. Er kommt erst, wenn die Männer mit der letzten Ladung fertig sind.“
Darian nahm einen weiteren tiefen Schluck und stellte die geleerte Tasse zu der Flasche in die Spüle. „Entschuldigt mich jetzt bitte, ich werde ihm zur Hand gehen. Wir sehen uns später in der Bibliothek, solange das Büro noch nicht wieder komplett hergestellt ist.“
Dann war er entschwunden und wir starrten gemeinsam auf die
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