Blut Licht
gewichen war- er nannte es Schutz, ich nenne es Baggern - hatte sie sich auf geradezu erstaunliche Weise mit der Kleidung arrangiert. Tradition hin, Kultur her, hier obsiegte dennoch die reine Weiblichkeit. Zumal sie und mein Bruder wieder einmal miteinander geflirtet hatten, als gäbe es kein Morgen. Den kompletten Weg über hatten sie sich nicht mehr als zwei, vielleicht drei Schritte voneinander entfernt. Trotzdem hatte ich eine leichte Distanz von ihrer Seite aus bemerkt. sobald Alistair ihr zu dicht auf den Pelz gerückt war. Selbst nachdem wir nach einer Stunde zurück zum Haus gekommen waren, hatte es sich mein Bruder nicht nehmen lassen, sie bis zu ihrem Zimmer zu begleiten. Die Dusche wollte Kahina allerdings dann doch lieber allein genießen.
Ich nahm Lilianna aus dem Buggy, streifte ihr Jäckchen ab und verweilte dabei gedanklich weiterhin bei den beiden Turteltauben. Insgeheim lachte ich mir ins Fäustchen. Ja, ja, wenn die Hormone sich aufführten wie der Inhalt einer durchgeschüttelte Champagnerflasche ... Ich war auf die Fortsetzung gespannt.
Mein Frohsinn bekam einen kalten Dämpfer, als Darian von Jason gefolgt aus dem Gang kam und mich direkt ansteuerte. „Pack bitte für Lilianna und dich umgehend einen Koffer, Faye. Ich lasse das Gepäck in einer Stunde von Donovan abholen.“
„Was ist denn passiert?“, unterbrach ich ihn beunruhigt.
Bei seinen nächsten Worten wurde ich kreidebleich: „Thalion hat mich vorhin telefonisch erreicht. Er bat mich, dir auszurichten, dass er den Diebstahl deines Telefons bedauert und dich um Verzeihung bittet. Ich habe mir erlaubt, deine Nummer sperren zu lassen, nachdem ich über unseren Mobilfunkanbieter den letzten Aufenthaltsort deines Telefons herausfand. Faye, Thalion ist in Rom. Morgen früh gegen fünf Uhr hebt der Jet in London Richtung Italien ab.“
Kapitel sechzehn
W er jemals mit einem Baby oder Kleinstkind gereist ist, wird meine folgenden Worte verstehen. Es ist der blanke Horror.
Schon allein das Packen - was muss unbedingt mit und auf was kann verzichtet werden. Die Anzahl und Auswahl der Kleidung musste unter den Kriterien von Nützlichkeit und Wetter gefällt werden. Gab es die Möglichkeit zum Waschen? Welche Stofftiere dürfen nicht fehlen und brauche ich für unsere Kleine einen Schlafsack. Reisebett oder nicht? Windeln einpacken oder vor Ort neue kaufen? Ebenso die gewohnte Nahrung, die man wochenlang ausprobiert hatte, bevor man eine Sorte fand, bei der das Kleine nicht so viel spuckt oder pupst. Was aber, wenn es auf dem Festland die Marken nicht gab?
Ich packte alles ein, räumte alles wieder aus und fing von vorn an. Es fühlte sich an, als wollte immer wieder irgendetwas Wichtiges fehlen. Aber was? Sicher nicht das, was meine Tochter während des Packens spielerisch entweder entfernte oder zusätzlich hinein stopfte.
Gedankenverloren nahm ich eine schwarze Herrensocke aus ihrem Koffer heraus. Wo hatte sie die denn auf einmal her? Unwichtig, denn der Strumpf war garantiert nicht das, was tatsächlich fehlte. Eher war es mein Herz, denn es hing nicht an dieser Reise. Ich wollte nicht fort. Ich wollte nirgendwo hin. Schon gar nicht nach Rom.
Warum hatte ich mich selbst davor gewarnt? Es würde etwas geschehen, daran hegte ich keinen Zweifel. Allein die Tatsache, dass nach der Sperrung die Nummer meines Mobiltelefons nicht mehr existierte, war Beweis genug. Meine Gegenwart war unweigerlich dabei, sich mit meiner ungewissen Zukunft zu verweben. Konnte ich sie verändern? Wollte ich es denn? Mehr noch interessierte mich, was ich ändern musste und ob es mir überhaupt gelingen konnte. Hatte die Warnung überhaupt Rom gegolten? Fragen über Fragen, die wie kleine Schiffchen durch die sturmgepeitschte See meiner Gedanken orientierungslos herumgeworfen wurden. So sehr ich mich bemühte und auf das Momentane zu konzentrieren versuchte, ich kam innerlich nicht zur Ruhe. Folglich verzettelte ich mich hoffnungslos.
Irgendwann saß ich im Kinderzimmer inmitten diverser Haufen an Babykleidung auf dem Boden und überlegte ernsthaft, ob ich dem drängenden Impuls eines Heulanfalls nachgeben sollte. Am Liebsten hätte ich Darian von meinen Bedenken erzählt, doch ich konnte mir seine Reaktion schon jetzt ausmalen. Er würde sie als hysterisch und irrational bezeichnen. Zu Recht, denn ich hatte nichts Konkretes vor zuweisen. Nichts außer einem unsicheren Gefühl, das mich vor et was warnte, das vielleicht geschehen konnte.
Die Zeit schien
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