Blut Licht
jetzt brach das hervor, was ich die ganze Zeit zu unterdrücken versucht hatte. Mir schossen die Tränen in die Augen und ich landete in einer mütterlich weichen Umarmung.
„Ach Gott, ach Gott!“, rief Ernestine aus und strich mir tröstend über das Haar. „Ich wusste, dass du dir Sorgen machst, Faye, auch wenn du es verstecken wolltest. Aber dass es so schlimm ist... Beruhige dich, wir kriegen das hin. Zusammen. Du bist mir wie eine Tochter ans Herz gewachsen. Ich, nein, wir lassen dich nicht allein. Versprochen. Herrgott! Jetzt fange ich auch schon an.“
Abrupt ließ sie mich los, riss zwei Streifen von einer Küchenrolle ab und reichte mir ein Stück. Während ich mir die Tränen abwischte, schnäuzte Ernestine sich geräuschvoll die Nase. Dann sahen wir einander an und fingen gleichzeitig an zu lachen. Wie von einer schweren Last befreit, innerlich leichter und wesentlich beruhigter als zuvor, kicherten wir um die Wette. Tränen traten erneut in unsere Augen, diesmal jedoch vor Erleichterung.
Gemeinsam räumten wir die Küche auf, froren ein, was wir nicht mitnehmen konnten und machten einige Brote zum Mitnehmen fertig. Wir befüllten eine Kühlbox mit diversen Blutkonserven und stellten alles in das Foyer. Dann begaben wir uns in den Keller, legten die getrocknete Wäsche zusammen und verteilten sie anschließend auf die jeweiligen Schränke und Zimmer. Nachdem wir damit fertig waren, trennten sich unsere Wege. Ernestine suchte Dad und ich eilte in die Bibliothek in der Hoffnung, dort Darian vorzufinden.
Bei meinem Eintreten sahen er und Kahina von ihrer Arbeit auf. „Es ist soweit alles fertig. Braucht ihr noch Hilfe?“
„Nein, danke. Wir kommen klar." Er legte das Schriftstück aus der Hand und kam auf mich zu. Bedauernd lächelnd küsste er mich auf die Stirn. „Es tut mit leid, Faye. Ich hatte gehofft, die Dinge von hier aus regeln zu können und ich weiß, wie wenig dir die folgenden Pläne behagen, aber wir haben keine andere Wahl. Thalion ist uns um Tage voraus. Wenn wir ihn aufhalten wollen, dann müssen wir uns beeilen.“
„Aufhalten?“, echote ich beklommen und meine Nerven begannen abermals, nervös zu flirren. Was genau hatte Thalion vor, und wie viel wusste Darian darüber?
„Wir haben die restlichen Seiten entschlüsselt, Faye“, meinte Kahina und wechselte mit Darian einen schnellen Blick. Er nickte ihr zu und sie trat mit ernster Miene zu mir. „Sie enthalten uralte Formeln, mit denen sich verdammte Seelen zurück in unsere Gefilde holen lassen. Wir vermuten, dass Thalion deswegen das Buch an sich genommen hat. Ebenfalls gehen wir stark davon aus, dass er um diese Formeln weiß.“
War das nicht purer Mummenschanz? So etwas konnte doch gar nicht existieren. Selbst das sogenannte ägyptische Totenbuch bestand lediglich aus Mythen und Legenden, Überlieferung aus den Tagen einer alten Glaubensrichtung. Eine Reliquie, die wissenschaftlich betrachtet durchaus interessant war, jedoch völlig undurchführbar in puncto Leben nach dem Tod. Was tot war, das blieb auch tot. Oder etwa nicht?
Doch selbst wenn es tatsächlich funktionieren sollte, was nützte es Thalion?
„Recht wenig, solange er nicht den Ort gefunden hat, an dem er es einsetzen kann“, ergänzte Darian meinen Gedankengang. „Du hast wieder-“
„- zu laut gedacht, schon klar. Wo ist dieser Ort? Und was genau soll dort sein? Denkt ihr dabei an Rom selbst? Ein geheimes Versteck irgendwo unter dem Petersdom?“
„Du hast eine zu blühende Fantasie“, lachte Darian und küsste mich abermals auf die Stirn. „Nein, in Rom selbst befindet sich lediglich die von dir fotografierte Schriftrolle, die wir einsehen müssen, um den Ort zu finden, den nun ganz offensichtlich auch Thalion sucht. Mach dir bitte nicht zu viele Sorgen, Faye. Wir reisen mit Anhang, Thalion ist allein. Es wird alles gut werden.“
Warum konnte ich es ihm nicht glauben, obwohl ich es so sehr wollte? Dennoch rang ich mir ein Lächeln ab, murmelte ein leises „Okay“ und wandte mich zum Gehen. An der Tür drehte ich mich noch einmal zu ihm um und mein Herz wurde schwer, als ich sah, wie er vorsichtig das Schwert aus der Vertäfelung nahm und zusammen mit der Schriftrolle auf den Tisch legte.
Es würde alles gut werden. Momentan sah es kaum danach aus. Insbesondere, wenn er dieses mörderische Ding mitnahm. Worauf bereitete er sich vor?
Was immer es war, es flößte mir Angst ein, und die lähmte für gewöhnlich. Das war nichts, was ich
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