Blut Licht
ihrem eigenen Fotografen anrollt“, fügte Alistair hinzu. „Das sollte uns den Zugang zu den Ebenen ermöglichen, in die kein gewöhnlicher Besucher gelangt.
Dad und Ernestine wechselten einen schnellen Blick. „Dann klinken wir zwei uns zusammen mit unserer Enkelin in eine Touristenführung ein und sehen uns dabei etwas genauer um.“
„Ähm, Dad, ganz blöde Idee.“ Ich räusperte mich vernehmlich. „Das könnte kritisch werden.“ Sämtliche Augenpaare am Tisch musterten mich fragend. So seufzte ich laut, zuckte mit den Schultern und fügte hinzu: „Mum hat wegen ihrer guten Englisch- und Französischkenntnisse regelmäßig Führungen durch das Museum geleitet. Ich weiß nicht, ob sie das weiterhin macht. Solltet ihr euch dort zufällig begegnen
„- wird sie in der Öffentlichkeit kaum eine Szene machen“, unterbrach mich Dad energisch. „Hast du sie darüber informiert, dass wir in Rom sind?“
Ich blickte ihn groß an. „Wie denn, wenn mein Telefon weg ist? Darin hatte ich ihre Nummer gespeichert. Die habe ich nämlich nicht im Kopf.“
„Aber ich habe sie“, entgegnete er grimmig, zog sein Handy aus der Hosentasche und klappte es auf. Meine Hand landete auf seiner. „Was hast du vor?“
„Was wohl? Ich werde Adriana anrufen und darüber informieren, dass wir hier sind. Was hast du denn gedacht?“
Oh Gott, mein schlimmster Alptraum trat ein!
„Muss das sein, Dad?“
„Wenn du einen Aufstand vermeiden willst, dann schon, Tochter.“ Dabei drückte er mir kurzum das Telefon in die Hand. „Sprich du mit ihr, dann fallt ihr Ausraster sicher ein wenig milder aus.“
„Und richte bitte keine Grüße von mir aus“, warf Alistair ein. „Es sei denn, du hast Bock auf Stress.“
Ich spürte die Blicke der restlichen Anwesenden auf mir und hob abwehrend die Hand. „Fragt bitte nicht. Es ist zu umfangreich, um euch diese verzwickte Familienkiste mal eben zu erläutern.“
„Was ist daran verzwickt?", rief Dad mir nach, als ich mit seinem Handy in der Hand eine ruhige Ecke aufsuchte, um zu telefonieren. Während ich mich durch sein Adressbuch klickte - wieso hatte er so viele Nummern unterschiedlicher Frauen darin?-lauschte ich halbherzig seinen Erklärungen unserer verkorksten Familiensituation. „Es ist eigentlich ganz einfach“, begann er. Ach, wenn dem so wäre, warum dann diese Grabenkämpfe? Irritiert suchte ich weiter.
Unterdessen erklärte Dad: „Adriana und ich sind nicht in Freundschaft auseinandergegangen. Inzwischen dürfte es ein offenes Geheimnis sein, dass ich hinsichtlich dessen gelogen habe, aber ich wollte die Mädchen schützen.“
„Ist dir nicht wirklich gelungen“, warf ich vom Sofa aus ein.
Dad nickte. „Das habe ich auch schon bemerkt, Schatz. Grundsätzlich gibt Adriana mir die Schuld am Scheitern unserer Ehe. Das in jeder Hinsicht. Darunter hatte auch ihr Verhältnis zu Alistair gelitten, was dazu führte, dass er schon sehr früh dem Haus entfloh. Sie ist strenge Katholikin und hält unsere Gabe daher für Gotteslästerei und einen verdammten Fluch, der unsere Familie seit Jahrhunderten heimsucht und deren Mitglieder reihenweise vernichtet.“
„Ganz so unrecht hat sie damit nicht, Dad“, meldete sich Alistair zu Wort. „Julie hat es getötet. Meine leibliche Mutter und deine erste Frau hat es getötet und wenn ich damals von Großmutter keine Hilfe gehabt hätte, wäre ich ebenfalls nicht mehr vorhanden. Diese Gabe kann durchaus ein Fluch sein.“
„Besonders, nachdem unser Waldi nach seiner Verwandlung seine alte Gestalt wiederbekommen hat. Dann solltet ihr ihn mal fluchen hören“, kam es mit schlürfender Untermalung aus dem Abseits. Das Schlürfen endete schlagartig. „Was ist denn? Es stimmt doch.“ „Danke, dass du altes Plappermaul mal wieder deine Klappe aufgerissen hast!“, fauchte mein Bruder Steven an, während Kahina mit offensichtlichem Interesse ihren Blick zwischen den beiden wechselte. „Waldi? Verwandlung? Du hast schon mal etwas Ähnliches bemerkt. Verwandlung in was?“
„Alistair ist ein Lykantroph, Kahina“, meldete ich mich erneut vom Sofa aus und freute mich, als ich endlich die Nummer meiner Mutter unter dem Begriff Nervensäge fand. Wer außer Dad wäre auf die Idee gekommen, sie dermaßen zu betiteln?
„Ein was? Echt? Wow!“
„Nö, richtiges Bellen gelingt mir weniger, denn über eine gewisse Form des Jaulens bin ich noch nicht hinaus“, entgegnete er und nippte an seiner Tasse.
Aus den Augenwinkeln
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