Blut Schatten
bedeutungsvollste aller Fragen.
»Ihr Disput hat mit dem Ableben der Frau nicht das Geringste zu tun«, begehrte Jason heftig auf. »Sie dürfen nicht einmal daran denken, Miss McNamara.«
»Das ist leichter gesagt als getan, Jason.« Ich lächelte ihm tapfer zu. »Aber ich arbeite daran.«
»Woran arbeitest du?«, klang es leicht verschlafen hinter uns. Jason und ich fuhren gleichzeitig herum und erblickten Kimberly, die im knielangen, schwarzen Nachthemd mit Freddy-Krueger-Aufdruck schlaftrunken im Türrahmen stand und sich die Augen rieb. Sie schmatzte leise und sah uns dabei schläfrig interessiert an. »Was hängt ihr hier um diese Zeit noch rum? Schlachtpläne wegen deiner Hochzeit morgen, Tante Faye?«
»Es wird keine Hochzeit stattfinden, Kim«, ließ ich wenig diplomatisch die Bombe platzen.
»Was?« Sie starrte mich an, als sähe sie mich zum ersten Mal. »Aber wieso? Ich meine, du und Darian ... Scheiße, du verarschst mich gerade, richtig?«
»Mr. Knight ist derzeit anderweitig beschäftigt und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Lage, zum angegebenen Termin zu erscheinen, Miss Kimberly. Daher wird die Hochzeit auf unbestimmte Zeit verschoben«, gab Jason für mich die Erklärung ab. Kimberly verstand seine Antwort nicht ganz so, wie er sie gemeint hatte, denn ihre Augen wurden noch größer. »Wie jetzt? War er zweigleisig unterwegs, die Olle meldet Besitz an, und er muss das erst mal klären?«
»Ich muss doch bitten, Miss Kimberly. Mr. Knights Verhalten ist über jeden Zweifel erhaben.«
Grinsend winkte Kimberly ab und trat zu uns. »Schon klar, nur nicht künstlich aufregen, Meister. Hey, was ist denn da los? Eine Invasion? Und wieso rennen die der Bitch nebenan die Tür ein? Die schafft die doch gar nicht alle auf einmal.«
»Sie wird gar nichts mehr schaffen, Kim, denn sie ist ermordet worden.«
»Echt? Cool. Oder ne, nicht cool. Eher ganz schön blöd.« Kim nahm einem verblüfften Jason die Tasse aus der Hand, trank einen Schluck und gab sie ihm zurück. »Hätte sie sich nicht einen anderen Zeitpunkt aussuchen können als ausgerechnet heute Nacht? Ich meine, so 'ne Bluthochzeit ist echt nicht Jedermanns Ding. Kann euch voll verstehen, dass ihr die Hochzeit erst mal absagt. Schon 'ne Ahnung, wer ihr den Hahn zugedreht hat?«
»Berührt es dich denn gar nicht, dass sie tot ist?«, fragte ich über ihre Reaktion erschüttert.
Meine Nichte sah mich irritiert an, dann schüttelte sie den Kopf. »Nö, ist mir ziemlich egal. Außerdem ist das recht praktisch, dann braucht dein Mann keine Kündigung zu schreiben, damit sie auszieht. Was denn? Wieso fuchteln Sie in der Luft herum, Jason?«
Hinter mir erklang ein gepeinigtes Stöhnen. Sehr langsam drehte ich mich zu Jason um, der mich mit unschuldigem Lächeln ansah. Einem sehr unglaubwürdigen unschuldigen Lächeln. »Jason?«
»Miss McNamara?«
»Ach, Tante Faye hat nicht gewusst, dass ihr Künftiger die Hütte nebenan gekauft hat? Ups, ich hab' mich hier wohl gerade etwas verplappert, hm? 'Tschuldigung.«
»Ich wäre Ihnen zutiefst verbunden, wenn Sie für den Moment schweigen würden, Miss Kimberly.«
»Und ich warte auf eine Antwort, Jason.«
»Nun ja, Miss McNamara. Es steht mir nicht zu -«
»Jason!«, donnerte ich dazwischen.
Schuldbewusst zuckte er zusammen. »Nun gut, ich werde mich über Mr. Knights Anordnung hinwegsetzten. Jedoch nur unter Protest.«
Ich winkte ungeduldig ab. »Ja, ja, zur Kenntnis genommen. Also, ich höre.«
Er seufzte. Ihm war anzusehen, dass er sich in einer Zwangslage befand. Doch gab er sich einen Ruck und blickte mich fest an, als er erklärte: »Vorgestern hat Mr. Knight den Kaufvertrag unterschrieben und die Kaufsumme zum Transfer angewiesen. Gestern wurde die Eigentumsurkunde ausgestellt. Deswegen war Mr. Knight diverse Male in Manhattan. Er verpflichtete mich zum Schweigen, Miss McNamara. Ich vermute, er wollte Sie damit überraschen.«
»Das ist ihm gelungen«, murmelte ich und blickte schwermütig auf das Gebäude. »Dann ist euch vermutlich auch klar, dass er somit ein Motiv für den Mord an seiner einzigen Mieterin hat. Und dass er im Augenblick spurlos verschwunden ist, ist nicht unbedingt von Vorteil.«
»Wie? Darian ist verschwunden?«, schaltete Kimberly sich ein und wirkte plötzlich sehr mitgenommen. »Hat er was damit zu tun? Und was ist mit Steven? Ich meine, er wird sich doch da raushalten?«
»Beide haben damit nichts zu tun, Kim«, erläuterte ich ruhiger, als ich war.
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