Blut Schatten
»Trotzdem hängen beide mit drin, weil nämlich beide verschwunden sind.«
»Scheiße.«
»In der Tat, Miss Kimberly. In der Tat. Wobei ich zu Ihrer Beruhigung anmerken möchte, dass wir Mr. Montgomery illegal in einem Koffer in dieses Land einschmuggelten und er sich somit nicht offiziell hier befindet. Ein Umstand, der sich den Behörden gegenüber durchaus als Vorteil erweisen dürfte.«
»Jason, Sie entwickeln erstaunlich viel kriminelle Energie.«
Er lächelte steif. »Danke, Miss McNamara. Ich passe mich lediglich den Gegebenheiten an.«
Meine Aufmerksamkeit wandte sich erneut meiner Nichte zu. »Wer weiß noch von dem Kauf des Gebäudes?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Na, alle, würde ich vermuten. Dad hatte es ja vorgeschlagen und auch den Besichtigungstermin klargemacht. Da warst du zusammen mit Jason und Ernestine shoppen.«
Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass sich mit jeder weiteren Erkenntnis die Schlinge um unseren Hals fester zog. Was würde noch alles ans Tageslicht kommen? Nur mühevoll schüttelte ich die erneut aufkeimende Angst ab, straffte die Schultern und wandte mich vom Fenster ab. Meine Kaffeetasse landete auf dem Tisch und mit festen Schritten verließ ich die Küche.
»Darf ich erfahren, was Sie zu tun beabsichtigen, Miss McNamara?«
»Ich hole die Kuh vom Eis, bevor sie sich den Hals bricht, Jason.«
Ungeachtet weiterer Einwände marschierte ich aus dem Haus und schnurstracks zum Ort des Geschehens hinüber. In einigem Abstand eilte Jason mir nach, hielt mich jedoch nicht weiter auf. Ich vermutete, er wollte mir mit seiner Anwesenheit den Rücken stärken und notfalls jeden Meineid leisten, der notwendig war. Lobenswert, doch hoffentlich nicht nötig.
Alistair sah mich kommen und versuchte, mir den Weg zu verstellen. Da ich seine massige Gestalt kaum von der Stelle bewegen konnte, lief ich einfach um ihn herum und achtete auch nicht auf seine Einwände. Gleichzeitig signalisierte ich Jason, mir nicht weiter zu folgen. Er verstand und blieb auf der anderen Straßenseite abwartend stehen.
So tippte ich dem erstbesten Polizisten auf die Schulter, der mir im Weg stand. Fragend drehte sich der junge, dunkelhaarige Mann zu mir um. Ich blickte kurz auf sein Namensschild. »Wer leitet diese Untersuchung, Officer Saunders? Ich möchte ihn gern sprechen.«
»Detective Anne Da Silva, Ma'am.« Seine blauen Augen erfassten mich einmal von oben bis unten, dann wies er mit dem Daumen über seine Schulter zum Eingang hin. »Sie ist drin. Aber da können Sie jetzt nicht rein.«
»Dann holen Sie sie raus und sagen ihr, dass die neue Eigentümerin des Gebäudes sie zu sprechen wünscht, Officer Saunders. Und das am besten gestern.«
»Ma'am, das ist-«
Meine Hand berührte sanft seinen Arm. »Sofort, Officer.«
Für einen kurzen Moment blickte er mich irritiert an, dann nickte er. »Ja, Ma'am, selbstverständlich. Bitte warten Sie hier.«
»Wie hast du das denn gemacht?«, flüsterte mein Bruder, nachdem der Polizist im Haus verschwunden war.
»Darian hat mich viel gelehrt. Du solltest ihn fragen, ob er dich auch unterrichtet.«
Er schenkte mir einen nachdenklichen Blick. »Angesichts dieser überzeugenden Demonstration deiner Überredungskunst sollte ich das wirklich tun.«
Derweil kam Officer Saunders in Begleitung einer älteren, dunkelhaarigen Frau aus dem Gebäude. In ihrem hellbraunen Hosenanzug nebst farblich passendem Rolli wirkte sie auf den ersten Blick wie eine Zivilistin, wäre da nicht das Abzeichen gewesen, das bei jedem Schritt an ihrem Gürtel aufblitzte. Während sie auf uns zukamen, sprach sie leise, jedoch deutlich verärgert auf ihren Kollegen ein.
Fast tat er mir Leid, denn dass seine Chefin sauer auf ihn war, ging wohl auf mein Konto. Ich schickte ihm ein aufmunterndes Lächeln und wandte mich gleich darauf der Frau an seiner Seite zu. »Detective Da Silva?«
»Und Sie sind?«, fragte sie streng, blieb vor mir stehen und betrachtete mich misstrauisch.
Sie war eine attraktive Frau um die fünfzig, mit großen, braunen Augen in einem schmalen, beinahe faltenlosen Gesicht. Sie war nicht sehr groß, ging mir gerade bis unter das Kinn, was ihrer Aura von Autorität jedoch keinerlei Abbruch tat. Das streng zurückgebundene, schwarze Haar unterstrich zusätzlich ihren spanischen Typ. Ich konnte sie mir durchaus mit einem Flamencokleid tanzend auf einem Tisch vorstellen.
»Faye McNamara«, stellte ich mich vor und registrierte sehr wohl ihren blitzschnellen
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