Blut Schatten
leicht zu machen, beschrieb ich mit dem Finger eine rotierende Bewegung, woraufhin Dad sich mit angehobenen Armen sehr langsam vor mir im Kreis drehte. »Beinahe perfekt, Dad«, lautete schließlich mein Urteil.
Fragend zog er die Stirn kraus und fuhr sich mit einer Hand über das glatt rasierte Kinn. »Was heißt hier beinahe!«
»Ich nehme an, sie meint deine Statur, Duncan. Ist mir bisher auch nicht wirklich aufgefallen«, erklang Ernestines belustigte Stimme aus dem Flur.
Empört blickte Dad uns beide an und zog demonstrativ seinen Bauch ein. »Na hört mal, ich habe fast noch einen Waschbrettbauch, Mädels.«
»Das ähnelt wohl eher einem Wasch bär bauch«, rutschte es mir heraus, und hurtig zog ich unter seinem bemüht finsteren Blick den Kopf ein.
»Ich muss doch sehr bitten, junge Dame. Wenn du deinen alten Herrn weiter so ärgerst, lässt er dich allein zum Traualtar gehen«, polterte er los, wurde jedoch sofort von Ernestine gebremst: »Nun mal ganz ruhig mit den jungen Pferden, Duncan. In deinem Alter zeugt so ein Bauch von guter Pflege. Wenn du allerdings Komplexe deswegen hast, hängen wir den Futterkorb halt etwas höher.«
»Alles, nur das nicht!« Er fiel spontan vor ihr auf die Knie, robbte auf sie zu und rang dramatisch die Hände. »Tu mir das nicht an.«
»Was soll das denn werden?«, erklang es erneut aus dem Flur, und Steven steckte neugierig den Kopf in die Küche, jedoch nur so weit, wie es das einfallende Sonnenlicht zuließ. »Romeo und Julia als Laiendarstellung? Oder der klägliche Versuch, mit einem für den körperlichen Umfang zu schmalen Handtuch den Boden zu wischen?« Als finstere Blicke ihn fixierten, stutzte er. »Was denn? Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Du hast Dad tief getroffen, Steven«, meinte ich mit konzentriert ernster Miene, während mein Vater sich hoheitsvoll erhob, das Handtuch um seine Hüften zurechtzupfte und erhobenen Hauptes an den geneigten Untertanen vorbeistolzierte. Ernestine hielt das Handtuch unbemerkt fest, es rutschte hinab und ließ Dad urplötzlich einen Zahn zulegen.
Interessiert sah Steven ihm nach und schüttelte dann den Kopf. »Wieso nimmt er ein Gästehandtuch für seine Plauze? Das ist doch zu klein.«
»Es ist platzsparend.«
»Das habe ich gehört, Erni«, triumphierte es aus dem Raum gegenüber dem Bad.
»Das war mir klar, Duncan«, trällerte sie zurück.
»Wirfst du mir bitte eine Konserve zu, Faye? Mir knurrt der Wanst«, meinte Steven indes und wies auf den Kühlschrank. »Mein Arm ist nicht lang genug.«
»Sicher. Angewärmt oder on the rocks?«
Er verdrehte die Augen. »Wenn du mich so fragst, ist die mir warm lieber. Such bitte etwas Frisches raus.«
Ich öffnete den Kühlschrank, fand die Spende einer jungen Frau Jahrgang 1985 und legte die Konserve in die Mikrowelle. Kurz darauf überreichte ich Steven das handwarme Lebenselixier in einem Glas. »Einmal jungfräuliches Geblüt A positiv für dich, Steven.«
»Ah, du bist so gut zu mir.« Er schnappte das Glas, leerte es mit einem geräuschvollen Saugen und gab es mir zurück. « Merci, holde Maid.«
Ich sah ihn schief an. »Du könntest ruhig mal an deinem Geräuschpegel arbeiten.«
»Pöh! Bisher hat sich niemand darüber beschwert«, erwiderte er pikiert, wandte sich um und schritt blasiert von dannen. »Duncan, hast du noch eine Schulter zum Ausweinen frei? Die Damen waren gemein zu mir.«
»Nur, wenn du mir ein größeres Handtuch mitbringst.«
Das laute Hupen auf der Straße vor dem Haus bewahrte die Herren vor einer weiblichen Lachsalve. Ich blickte aus dem Fenster und winkte hinaus. »Unsere Hairstylistin, Ernestine.«
»Gut. Ich gehe runter und fange sie ab. Duncan, zieh dir etwas über, wir bekommen Damenbesuch.«
Die Tür flog schwungvoll zu, und Ernestine eilte aus dem Haus. Sie lotste den Wagen auf den Hof und kehrte mit einer mir bereits bekannten jungen Frau zurück, die eine Trockenhaube und einen Koffer mit allerlei Utensilien trug.
»Patricia, richtig?«
»Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, Sie zu frisieren«, freute sie sich aufrichtig, stellte den Koffer auf dem Tisch ab und band sich die wasserstoffblonden Haare mit der magentafarbenen Strähne im Nacken zu einem strengen Knoten zusammen. Wie schon bei unserer ersten Begegnung trug sie wieder sehr farbenfrohe Kleidung: ein pinkfarbenes Oberteil mit weitem Ausschnitt, dazu einen engen, magentafarbenen Rock mit neongrünem Gürtel und pinkfarbene Ballerinas. Ihre Fingernägel waren
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