Blut Schatten
»Und du denkst, eine solche Kollision hält mich von einem Büfett fern? Niemals. Sie macht Hunger.«
»Darüber werden wir noch reden«, drohte Kimberly gespielt und lächelte über die Köpfe der Kinder hinweg den im Dunkeln stehenden Vampir an. Neugierig spürte ich mich in ihre Verbindung hinein. Was ich fühlte, ließ mich kaum im Unklaren darüber, warum Alistair Kimberly mitgenommen hatte. Bruderherz, manche Rechnungen gehen nicht auf.
»Entschuldigt bitte, wenn ich das familiäre Geplänkel unterbrechen muss«, warf Darian nun ein und holte uns zurück ins Geschehen. »Eure Differenzen in allen Ehren, aber hier stehen derzeit andere Aufgaben an. Und ich möchte das Ganze in Güte klären.«
»In Güte. Aber sicher, nur zu. Ich dressiere so lange die Flöhe auf den Köpfen der kleinen Stinker, das ist garantiert erfolgreicher.« Abwartend lehnte Steven sich wieder an die Hauswand und beobachtete aufmerksam das Geschehen vor sich.
Obwohl sie nun von uns in die Zange genommen worden waren, zeigte der Junge kaum sichtbare Reaktionen, bis auf eine gewisse Arroganz, mit der er erst Darian und anschließend uns betrachtete. »Ihr seid nichts weiter als wehrlose Beute. Schwache Menschen. Was wollt ihr schon gegen uns ausrichten?« Seine Geste umschloss die Gruppe hinter ihm. »Wir sind mehr als dreißig. Selbst wenn unter euch einer von uns ist, habt ihr noch lange keine Chance gegen uns alle.«
Die Selbstsicherheit des Jungen kippte, als ein verwischtes Etwas knapp an ihm vorbeischoss und es mehrmals leise knackte. Sogleich sanken fünf der Kinder leblos auf den Boden und zerfielen binnen Sekunden zu kleinen Staubhäufchen. Wie aus dem Nichts erschien Steven neben dem Bengel, eine Hand schoss vor und landete mit unnachgiebigem Griff in dessen Nacken. »Na so was. Du hast recht, es könnte tatsächlich knapp werden, Kleiner.«
»Steven!« Darians Blick drückte verhaltenen Ärger aus. »Hör auf und lass den Jungen los.«
»Schon gut, schon gut.« Der Angesprochene schubste den Bengel von sich und trabte den Weg durch die ihm freiwillig weichenden Kinder zurück. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte er sich abermals an die Hauswand und sah über die Kinderschar hinweg meinen Mann tödlich beleidigt an. »Nun hab dich nicht so.
Was machen schon fünf von denen weniger aus? Es sind noch genug für jeden von uns da.«
»Echt? Darf ich dann auch mal?«, erklang Kims neugierige Stimme, und ich nahm nur aus den Augenwinkeln heraus wahr, dass Darian genervt die Augen verdrehte. Sie erhielt eine dreifach schallende Antwort: »Nein!«
Alistair, mein Mann und Steven sahen einander verblüfft an.
Kimberly zog eine Schippe. »Mann, Daddy! Du hast gesagt, ich soll lernen.«
»Aber nicht hier«, knurrte er zurück.
Ich hielt mich bedeckt, ignorierte meine liebe Familie und konzentrierte mich mehr auf die Kinder. Weiterhin haderte ich mit dem Offensichtlichen. Ja, es waren kleine Vampire. Und ja, sie agierten wie Vampire. Vermutlich waren sie auch der Grund für die abrupt angestiegene Zahl ungelöster Todes- und Vermisstenfälle in New York und Umgebung. Aber, verdammt noch mal, das hier waren Kinder! Sie hatten keine Wahl, sie konnten allein nicht überleben, nicht einmal wirklich existieren.
Darian trat erneut auf die Gruppe zu. Instinktiv drängten sie sich enger um ihren Anführer, dessen Unsicherheit sich inzwischen geruchsintensiv bemerkbar machte. Stevens Maßnahme hatte ihm einen Dämpfer verpasst, der seine Selbstsicherheit empfindlich beeinträchtigte; der ihn irritierte, ängstigte und der gleichzeitig an ihm nagte. Ich spürte zudem deutlich, dass er innerlich vor Wut kochte. Eine Konstellation, die ihn auf eine gewisse Weise unberechenbar machte.
Mein Mann wusste es ebenfalls. Er hatte meine Gedanken empfangen und nickte mir kaum merklich zu. Mit weiterhin leicht erhobenen Händen bewegte er sich sehr langsam und geschmeidig auf die Gruppe zu.
Eine leichte Verringerung der Distanz zwischen ihnen ließ der Junge noch zu, dann wurden seine hellblauen Augen schmal und er begann mit gebleckten Zähnen zu drohen »Ganz ruhig, Junge«, murmelte mein Mann. »Ich habe nicht vor, dir etwas zu tun.«
»Er vielleicht nicht«, brummte Alistair aus dem Hintergrund, während er die Truppe finster musterte.
Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, wir blickten alle auf meinen Bruder, und wie von einem lautlosen Befehl gesteuert stürmten die Kinder los.
»Pass auf Faye auf!«, hörte ich noch Darians Stimme,
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